MRSA-Keime:Blinde Passagiere im Körper

Der mutmaßliche Kinderschänder Oliver Shanti muss bei seinem Prozess in einem Glaskasten sitzen. Geht eine lebensbedrohende Gefahr von ihm aus?

Katrin Blawat

Die Bilder des vermummten Angeklagten im Glaskasten lassen glauben, sämtliche Prozessbeteiligte und Zuschauer müssten vor einer lebensbedrohenden Gefahr geschützt werden. Tatsächlich trägt Oliver Shanti den Erreger MRSA in sich. Die Abkürzung steht für Methicillin-resistenter Staphylokokkus aureus. Dieser Keim kann zum Beispiel zu Lungen- und Hirnhautentzündungen, Blutvergiftungen und schweren Wundinfektionen führen. Allerdings lässt er sich in vielen Fällen gut mit einem Antibiotikum behandeln.

MRSA-Keime: Oliver Shanti im Gerichtssaal.

Oliver Shanti im Gerichtssaal.

(Foto: Foto: Reuters)

Weil in den letzten Jahren der Antibiotika-Verbrauch stark zugenommen hat, breitet sich eine Variante des Staphylokokkus aureus-Bakteriums aus, gegen das die gängigen Antibiotika, darunter das Methicillin, nicht mehr helfen. Zum ersten Mal traten diese resistenten Stämme vor fast 40 Jahren auf. Zwar gibt es auch gegen sie noch einige wenige wirksame Medikamente, die aber mit stärkeren Nebenwirkungen einhergehen. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die Erreger sich irgendwann auch erfolgreich gegen diese Antibiotika wehren können.

Bis zu 30 Prozent der Bevölkerung

Bis zu 30 Prozent der Bevölkerung tragen Staphylokokkus aureus in sich, ohne überhaupt davon zu wissen oder an dem Keim zu erkranken. Fachleute schätzen, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung mit einem resistenten Stamm des Erregers besiedelt ist. Die Keime besetzen die Nasen- und Rachen-Schleimhäute, in einigen Fällen auch die Haut. Sowohl die nicht-resistente als auch die resistente Variante werden durch Tröpfcheninfektion übertragen, also zum Beispiel durch Speichel oder Nasensekrete beim Niesen. Durch die Luft allein verbreiten sich die Keime aber nicht, weshalb die Ganzkörper-Vermummung des Angeklagten während der Gerichtsverhandlung eigentlich nicht nötig ist.

Für Gesunde stellen MRSA-Keime keine größere Gefahr dar als die nicht-resistenten Stämme. Anders ist es hingegen in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, in denen die Menschen ohnehin schon geschwächt sind. Dann werden die resistenten Keime zum ernsten Problem. Im Krankenhaus haben viele Patienten offene Wunden, Katheter oder Schläuche, über die die Keime in den Körper eindringen und schwere Entzündungen hervorrufen können. Über die Hände der Ärzte und des Pflegepersonals oder wenn Patienten von einer Station auf eine andere verlegt werden, breiten sich die Keime schnell aus. Der wirksamste Schutz besteht darin, Hygienevorschriften wie häufiges und sorgfältiges Händewaschen streng einzuhalten.

Auf einigen Krankenhausstationen wird jeder neue Patient daraufhin untersucht, ob er den MRSA-Keim unbekannterweise in sich trägt, um zu verhindern, dass er andere anfällige Personen ansteckt. Ist jemand mit dem MRSA-Erreger besiedelt, ohne dass er bereits an einer Infektion leidet, lassen sich die Bakterien meist mit einer Nasensalbe bekämpfen. Allerdings tragen auch Krankenhauspatienten, bei denen der Keim, aber keine Infektion nachgewiesen wurde, oft einen Mund- und Nasenschutz - damit sie die Bakterien nicht über ihre Hände weitergeben, nachdem sie sich ins Gesicht gefasst haben.

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