Movits! im Ampere:Oldschool aus dem sozialistischen Schweden

Movits!

Movits! sind bekannt für ihre Hipster-Uniform. Dabei steht ihre Musik in krassem Gegensatz zu ihrem Auftreten

Als hätte Frank Sinatra gerappt. Auf Schwedisch. Die skandinavische Band "Movits!" bringt eine wilde Mischung aus HipHop und mitreißendem Swing ins Münchner Ampere. Das könnte richtig gut sein - wenn da nicht ständig dieses Augenzwinkern wäre.

Von Matthias Huber

Angeblich verdienen Bands mittlerweile mehr mit Konzerten und Fanartikeln als mit dem Verkauf von Tonträgern. Kein Wunder also, dass sich die fünf Mitglieder von Movits! am Ende der Show noch einmal bemerkenswert viel Zeit nehmen, um zwischen Klamotten, Schallplatten und CDs Autogramme zu schreiben. Um sich mit den Konzertbesuchern fotografieren zu lassen.

Aber der Reihe nach: Movits! (das Ausrufezeichen ist Teil des Namens) heißt die Band aus Schweden, die am Montag im Münchner Ampere aufgetreten ist. Als sie vor einigen Jahren in der Fernsehshow des US-Satirikers Stephen Colbert zu Gast war, ging es kaum um die Musik, die sie spielt. Sondern um das Auftreten ihrer Mitglieder: weiße Hemden, Sakko, Brillen mit dicken Rändern. "Ihr lebt doch in einem sozialistischen Land", sagte Colbert. "Und eure Regierung zwingt euch, alle das gleiche anzuziehen?"

So treten die fünf Schweden auch im Ampere auf. In Hipster-Uniform, Anzug-Versatzstücke mit weißen Turnschuhen. Und alle sehen gleich aus. Fast. Rapper Johan Rensveld hat ein silbernes Schmuckstück am Hemdkragen, wo sonst eine Fliege wäre. Und einen schwarzen Hut über den halblangen blonden Haaren. Einige solcher Hüte finden sich auch auf den Köpfen im Publikum, meist hat der Besitzer außerdem Hosenträger an.

Dabei steht die Musik von Movits! in krassem Gegensatz zu ihrem Auftreten. Anstatt Samples zu verweden, nimmt die Band für ihre Alben einige der Instrumentale selbst auf, mit Schlagzeug, Bass und gelegentlich Gitarre, mit Saxophon und Posaune. Im Wohnzimmer funktioniert das resultierende Klanggewitter hervorragend. Schnelle Jazz-Passagen, Bläser-Soli, harte Breaks am Schlagzeug. Und immer die Stimme von Rensveld dazu, die, wie es im Text von "Sammy Davis Jr." heißt, ja irgendwie "oldschool" klingt. Eben wie der Namensgeber des Songs, oder Frank Sinatra, oder Gene Kelly. Wenn diese Herren denn auch gerappt hätten. Retro ist modern, ja. Aber wo andere Künstler lediglich nachahmen, gelingt Movits! tatsächlich etwas musikalisch Neues. Aber funktioniert das auch live?

Im Ampere werden die schönen, komplexen Instrumentalstücke in Häppchen zerstückelt, schon aus ganz pragmatischen Gründen. Movits! auf Platte klingt nach Orchester, aber auf der Bühne stehen nur fünf Mann. Zu viel Musik für eine Handvoll Instrumente. Einer spielt das Saxophon, ein anderer Posaune, der dritte den Bass. Und der Mann am elektronischen Drumset muss nicht selten als Gitarrist aushelfen. Vieles kommt also vom Band, die Musiker setzen live nur noch Akzente, picken sich ihre Momente heraus. Und lassen die Party, die die fünf Schweden aus ihren Songs mühelos aufspannen können, dadurch immer wieder an Wucht verlieren. Bis zum nächsten Refrain, bis zum nächsten Saxophon-Solo.

"Woher bekomme ich jetzt den Hut?"

Das andere Problem, das sich für Movits! auf der Bühne ergibt, ist die immer präsente Ironie. Natürlich ist ihre Musik Hommage, die Verbindung von HipHop mit den Swing-Rhythmen der vierziger Jahre liegt, hat man sie einmal gehört, unglaublich nahe. Aber eine Hommage birgt stets auch die Gefahr der kitschigen Romantisierung. Auch wenn die schwedische Band ernst nimmt, was sie spielt, ist sie doch peinlich darauf bedacht, nicht so zu wirken. Es tut einem Künstler aber nicht gut, wenn er zu seinen eigenen Werken auf Distanz geht, sie nur mit einem Augenzwinkern vorträgt.

Das heißt nicht, dass sich ein Konzert von Movits! nicht lohnen würde. Die Songs, vom reduziert flotten Gitarrenpop-Stück "Nitroglycerin" bis zur wuchtigen Blaskapellen-Nummer "Marching Band?", sind wie geschaffen dafür, vom engen Club bis zur größeren Halle alles ins Schwitzen zu bringen. Aber, was im Wohnzimmer noch aufregend und wild klingt, wird auf der Bühne manchmal etwas sperrig. Weil die sorgsam aufgebaute Hipster-Fassade der eigentlich so herrlich unkomplizierten und unbeschwerten Musik im Weg steht.

Bis dann die Show irgendwann vorbei ist. Nun stehen die Band-Mitglieder mit dicken Filzstiften für Autogramme bereit, wieder in Uniform, jetzt aber in weißen Shirts mit Movits!-Aufdruck. Frontmann Rensveld hat seinen schwarzen Hut inzwischen abgesetzt. Um sie herum: Tonträger. Und eine Konzertbesucherin, die etwas enttäuscht wissen will: "Woher bekomme ich jetzt den Hut?"

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