Erfolgreiche Kette Motel One:Wie das Prinzip Billighotel funktioniert

Swarovski-Kristalle am Tresen, Marken-Flachbildschirme im Zimmer - doch eine Übernachtung im Doppelzimmer in München kostet nicht mehr als 69 Euro. Dieter Müller hat mit seiner Kette Motel One Billighotels salonfähig gemacht. Das Konzept geht auf - auch dank seiner Frau.

Melanie Staudinger

Es ist jetzt schon drei Jahre her, da wurde Dieter Müller als Hotelier des Jahres ausgezeichnet. Zur Verleihung in Berlin trug der 57-Jährige sogar eine Krawatte, was er eigentlich nie tut, obwohl es in der Branche üblich ist. Müller hat gleich zwei Hotelketten aufgebaut, und mit seinem aktuellen Motel-One-Konzept Billighotels salonfähig gemacht.

Erfolgreiche Kette Motel One: Aufgabenteilung: Ursula Schelle-Müller verantwortet die Ausstattung im LED-Kaminfeuer-Ambiente und Dieter Müller kümmert sich um die Zahlen.

Aufgabenteilung: Ursula Schelle-Müller verantwortet die Ausstattung im LED-Kaminfeuer-Ambiente und Dieter Müller kümmert sich um die Zahlen.

(Foto: Robert Haas)

Vieles aber hätte er wohl nicht erreicht, wenn er seine heutige Frau Ursula Schelle-Müller nicht kennengelernt hätte. Müller ist der Mann für die Bilanzen, Schelle-Müller hingegen hat ein Händchen für das Ambiente. Genau diese Kombination macht Motel One wohl zu einer der erfolgreichsten Hotelketten Deutschlands.

Aber man muss die Geschichte von vorne erzählen. Sie beginnt im Jahr 1975, als der Klempnersohn Müller zufällig im Saarland nahe der französischen Grenze an einer Hotel-Großbaustelle vorbeiläuft. Das sei damals schon etwas Besonderes gewesen in einer Region, die nicht gerade von überschäumender Investitionstätigkeit und vielen Jobangeboten geprägt gewesen sei, erzählt er. Die französische Accor-Kette errichtet dort ein Hotel - und sucht jemanden für den Finanzbereich.

Für Müller, der in Saarbrücken eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei BMW absolviert hat, ein idealer Job. Er bewirbt sich und landet in der Hotellerie. Zwölf Jahre bleibt er bei Accor, dann macht er sich selbständig. 1987 gründet er mit einem Partner die Astron-Kette, Hotels im hart umkämpften Vier-Sterne-Segment. Dort tritt auch seine spätere Frau in sein Leben. Die Münchnerin hat Kommunikationswissenschaften studiert, und fängt bei Astron in der Öffentlichkeitsarbeit an. 20 Jahre ist das mittlerweile her.

Als noch die Vision dazukam

Astron entwickelt sich zu einer führenden Hotelmarke in Deutschland und Österreich mit zuletzt 56 Hotels und mehr als 8000 Zimmern. Die Expansion ins europäische Ausland aber scheint unmöglich. Die Konkurrenz in der Sparte ist zu hart. Der Kaufmann Müller sucht also nach einer Alternative. Astron verkauft er 2001 an den Hotelkonzern NH, was so kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September in der Hotelbranche als Sensation angesehen wird.

Das spanische Unternehmen wird einige Jahre brauchen, um sich von diesem Deal zu erholen. Müller hingegen baut Motel One im Low-Budget-Bereich auf. Zwei Söhne von Dietmar Hopp, dem Gründer des Software-Unternehmens SAP, beteiligen sich finanziell, ebenso später die Investmentbank Morgan Stanley. Weniger Mitbewerber im Segment bedeuten größere Chancen für Müller. Seine Ziele stehen im Hotel-Namen: "Motel steht für preiswertes Übernachten, One für die Nummer eins im Segment", sagt Müller.

In den Anfangsjahren unterscheidet sich Motel One noch kaum von Mitkonkurrenten wie Ibis oder Etap. Es wird gut fünf Jahre dauern, bis das Konzept steht, das die Kette in Deutschland zu einer Marke macht. "In der ersten Generation war Motel One genauso wie andere Anbieter, nichts wirklich Besonderes", sagt Stephan Gerhard, Geschäftsführer der auf die Hotellerie spezialisierte Unternehmensberatung Treugast.

Verbindung zum Deutschen Museum

Dann aber sei die Vision hinzugekommen, Design in ein Billighotel zu bringen. Das sei etwas wirklich Neues gewesen auf dem deutschen Hotelmarkt, die Motel One als erstes Low-Budget-Hotel die Bestnote bei Treugast einbringt. Müller nennt es die "drei Schritte zum Erfolg": attraktiver Preis, hohe Qualität, zentrale Lage.

Für Design und Marketing ist Schelle-Müller verantwortlich. Zum Gespräch bittet das Ehepaar ins Motel One in der Rablstraße, dem neuesten Haus der Kette in München, 2011 eröffnet. In der Lounge stehen türkisfarbene Egg-Chairs des Designers Arne Jacobsen in der Lounge. Je nachdem, ob Winter oder Sommer ist, knistert dort auf einem Bildschirm ein wohliges Kaminfeuer oder es blubbert eine Aquarienunterwasserwelt friedlich vor sich hin. Das gibt es in jedem der mittlerweile 39 Motel Ones "Wiedererkennungswert", nennt Müller das. Und das sei wichtig fürs Geschäft.

Links ist die Rezeption, rechts die Lounge, die sich morgens in den Frühstücksbereich verwandelt. Wer aber geradeaus weiter geht, findet sich plötzlich in einem Raum, den es so in Hamburg, Berlin oder Wien nicht gibt. Dunkelbraune Regale aus geräucherter Eiche hängen an den Wänden, darin Bücher wie "Technik, Welt Wandel - Die Sammlungen des Deutschen Museums" oder "Circa 1903. Artefakte in der Gründungszeit des Deutschen Museums".

Mitspielen im großen Geschäft

Die 46-Jährige Ursula Schelle-Müller erscheint zum Interview in einem grau-schwarzen Kleid. Es verdeckt die Knie nicht, ist dafür aber oben hochgeschlossen. Sie zeigt auf eine rote Glühbirne, die an der Wand strahlt, aber nicht echt, sondern als eine Projektion des Münchner Lichtdesigners Ingo Maurer. Ziemlich raffiniert, und sie passt zur Ausrichtung dieses Hotels. Es trägt den Beinamen "Deutsches Museum", weil es nur 400 Meter entfernt davon ist und die Exponate in der Bibliothek Leihgaben der Einrichtung sind.

Der Bar-Bereich steht unter dem Motto Raumfahrt. Swarovski-Kristalle am Tresen symbolisieren die Milchstraße, über der Bar werden Aufnahmen von der ersten Mondlandung gezeigt. "Wir haben bewusst eine loungige Atmosphäre geschaffen", sagt Schelle-Müller. Die Gäste sollen sich entspannen. Viele von ihnen sind Geschäftsreisende oder Städtebummler.

In Berlin spiegeln sich die goldenen 1920er Jahre wieder, in Köln ist es der Karneval. Jede Lounge hat ihr eigenes Thema, das schaffe Identifikation. Die Idee dazu kam von Schelle-Müller, ebenso wie sie die Farbe Türkis als Markenfarbe entwickelt und etabliert hat. Beides trägt zur Erfolg von Motel One bei. Doch es macht den Anschein, als wolle Schelle-Müller ihre Leistung nicht in den Mittelpunkt stellen. Sie betont, dass das Innenausstattungskonzept im Team weiterentwickelt worden sei.

Ihr Mann ist da weniger bescheiden. Er trägt die ersten Knöpfe seines Hemdes offen. Das wirkt lässig, so gar nicht wie ein Buchhalter, und doch seriös. Müller spricht leise, stets überlegt - vielleicht ist das einer der Gründe, warum sich in Zeitungsarchiven keine wirklich nachteiligen Artikel über ihn finden lassen, vielleicht gibt es aber auch nichts, was negative Schlagzeilen gerieren könnte.

Dass er sich zu einer vorschnellen Aussage hinreißen ließe, kann man sich bei ihm nicht vorstellen und im Gespräch kommt so etwas auch nicht ein einziges Mal vor. Auch bei kritischen Nachfragen nicht. Wie er sich denn die qualitative Ausstattung bei einem Zimmerpreis von 69 Euro leisten könne? "Flächenoptimierung", sagt er gelassen. 16 Quadratmeter misst ein Zimmer. Es gibt keinen Schrank, keinen Safe, keine Minibar, keinen Zimmerservice und kein Telefon. Frühstück wird extra berechnet, wer eincheckt, muss gleich bezahlen.

Müller will Europa erobern

"Das Konzept funktioniert gut, weil der Betrieb so straff organisiert ist und weniger Mitarbeiter braucht", sagt Experte Gerhard. Kleinere Betriebe könnten sich das nicht leisten, vor allem private Zwei-Sterne-Hotels sehen in Motel One eine Gefahr für ihre Existenz.

Müller hingegen meldet Erfolge. Sieben neue Hotels mit 2075 Zimmern und ein Umsatzplus von 48 Prozent auf 134,8 Millionen Euro lautet seine Bilanz für 2011. In nur zehn Jahren wuchs die Belegschaft auf 1000 Mitarbeiter an. Die Zimmerauslastung liegt bei gut 70 Prozent.

23 weitere Hotels sind in Planung. Müller will Europa erobern, London, Edinburgh oder Barcelona. Bis 2016 soll die Kette 120 Hotels mit 26 000 Zimmern haben, 40 Prozent davon im Ausland. "Ein nationaler Player hat in unserem Gewerbe keine Chance", sagt Müller. Der Mann will mitspielen im großen Geschäft.

Zuhause in Münsing am Starnberger See hingegen nimmt er Abstand von den Zahlen des Gewerbes, geht mit Jagdhund Sergio spazieren oder spielt Golf. Das Paar ist seit acht Jahren verheiratet, und ihre Arbeit haben sie sich so aufgeteilt, dass sie sich nicht ständig gegenseitig auf den Füßen stehen.

Schelle-Müller zeigt in einem der Zimmer auf den Marken-Flachbildfernseher, die Designer-Lampen. Sie streicht über die Bettdecke aus ägyptischer Baumwolle und fordert auf, die Dicke des Handtuchs zu erfühlen, nicht ohne auf den Granitboden und die hochwertigen Armaturen zu verweisen. Müller sagt: "Wir würden nie ein Hotel bauen, in dem wir nicht selbst auch wohnen wollen würden." Dabei blickt er aus dem Fenster des Zimmers im zehnten Stock, herunter auf die Münchner Innenstadt.

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