Moshammer-Prozess:"Ich wusste nicht, was ich gemacht habe"

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Unter großem Medienauftrieb hat der Prozess um den mutmaßlichen Moshammer-Mörder begonnen. Der Angeklagte Herisch Ali Abdullah sorgte mit widersprüchlichen Aussagen immer wieder für Verwirrung.

Alexander Krug und Wolfgang Görl

Der mutmaßliche Mörder von Rudolph Moshammer will an die Tat keine konkrete Erinnerung mehr haben. "Ich weiß nicht genau, wie es passiert ist. Ich war betrunken", sagte Herisch Ali Abdullah, 25, gestern zum Prozessauftakt im Schwurgericht. Mit widersprüchlichen Aussagen sorgte er zusätzlich immer wieder für Verwirrung.

Der Angeklagte Herisch Ali Abdullah machte verwirrende Aussagen. (Foto: Foto: ddp)

Unter großem Zuschauer- und Medienandrang öffnen die Justizbeamten um Punkt 9 Uhr die Türen zum Schwurgerichtssaal, der nur wenige Minuten später voll besetzt ist. Als Ali Abdullah um 9.31 Uhr aus einem Nebeneingang in den Saal geführt wird, erleidet er angesichts der zahllosen auf ihn gerichteten Mikrofonen und Kameras einen Schwächeanfall. Ein Gerichtsarzt muss ihn versorgen, die Verhandlung kann so erst kurz vor 10 Uhr aufgerufen werden.

In schwarzem Sakko und beigem Hemd duckt sich der bleiche Iraker förmlich auf der Anklagebank und flüstert seine Antworten dem neben im sitzenden Dolmetscher ins Ohr. "Ich möchte Herisch genannt werden", bittet er die Richter, die dies aber ablehnen. "Wir sprechen Sie hier mit dem Familiennamen an", meint Richter Manfred Götzl.

Widersprüche schon im Lebenslauf

Schon während der Schilderung seines Lebenslaufs verwickelt sich der Angeklagte in Widersprüche. Er sei in Kirkuk, im Norden des Irak "in armen Verhältnissen" aufgewachsen, als Kurden habe die Familie immer unter der Verfolgung durch das Saddam-Regime gelitten. Eines Tages sei sein Vater vom Geheimdienst abgeholt worden, "später brachten sie seine Leiche zurück". Er selbst habe sich dann den Partisanen, den "Peschmerga" angeschlossen und sieben Jahre in den Bergen gekämpft.

2001 floh Abdullah nach Deutschland. In seinem Asylverfahren gab er damals zu Protokoll, dass sein Vater 1999 "verstorben" sei, er selbst habe als "einfacher Soldat" den Militärdienst geleistet und sich nach vier Jahren mit 1200 US-Dollar freigekauft. "Und was ist jetzt die Wahrheit?" fragt Richter Götzl.

"Es ist eine Erzählung, manchmal erzählt man so, manchmal so", lautet die rätselhafte Antwort des Angeklagten. Im März 2002 kam Abdullah nach München, hier arbeitete er in einem Schnellrestaurant, wo er rund 700 Euro verdiente. Seine Leidenschaft gehörte dem Automatenspiel, hier verzockte er offenbar einiges.

Auch in der Tatnacht, dem 13. Januar dieses Jahres, hatte er im Spielsalon Geld verloren und dabei etwa "vier bis fünf Bier" getrunken. Danach schlenderte er durch die Innenstadt, bis ihn jemand aus einem Auto heraus ansprach. Der Name Moshammers kommt ihm bei seiner Schilderung nicht über die Lippen, er nennt ihn "diese Person". Diese Person also habe ihn gefragt, warum er "so traurig" aussehe und angeboten, ihm zu helfen. Er sei schließlich in das Auto eingestiegen und dann "lange mit ihm gefahren".

"Ich schäme mich so sehr"

Ziel war die Villa von Moshammer in Grünwald, doch das wusste Abdullah offenbar nicht. Dort angekommen, habe man sich zunächst gemeinsam Pornofilme angeschaut. Danach stockt der Angeklagte in seiner Erzählung. "Es gibt da ein paar Wörter, ich schäme mich so sehr", sagt er. "Diese Person wollte, dass ich etwa Schlechtes mit ihr mache", sagt er. Erst nach langem Zögern erklärt er, dass Moshammer Analverkehr von ihm gefordert habe: "Ich habe abgelehnt."

Moshammer habe sich dann selbst befriedigt und sei zur Toilette gegangen. "Als er wiederkam, war er ein anderer Mensch", sagt der Angeklagte. Man habe sich gestritten und "dann ist er auf den Boden gefallen". Er sei sich aber sicher, dass "diese Person" noch gelebt habe, als er das Haus verließ. "Wer hat denn dann den Herrn Moshammer getötet", fragt der Richter. "Mir war schwindelig, ich wusste gar nicht mehr, was ich gemacht habe", antwortet Abdullah.

Erst am nächsten Morgen habe er gemerkt, dass "ich einen großen Fehler gemacht habe. Ich wollte ihn nicht töten, aber es ist passiert. Es war ein Schicksal. Es tut mir sehr leid".

"Nerven verloren"

Am Nachmittag revidiert Abdullah seine Aussagen wieder und räumt ein, Moshammer möglicherweise mit einem Elektrokabel gedrosselt zu haben. Es habe einen heftigen Streit gegeben, der Modehändler habe ihn "geohrfeigt" und als "Arschloch" und "Penner" beschimpft. "Ich habe meine Nerven verloren", erklärt er.

In seiner "Wut" habe er ein Kabel vom Tisch genommen und damit auf Moshammer eingeschlagen. Beide hätten an dem Kabel gezogen, das dann in zwei Stücke zerrissen sei. Ob er das Kabel dann Moshammer um den Hals gelegt habe, fragt der Richter. "Es kann sein", weicht Abdullah aus. Er sei sich jedenfalls sicher, dass "diese Person" noch gelebt habe, als er flüchtete. "Er lag am Boden, hat geröchelt und sich bewegt."

In früheren Vernehmungen hatte Abdullah die Tat noch uneingeschränkt gestanden und viele Details geschildert. Die Verteidiger Jürgen Langer und Adam Ahmed fordern nun, diese Geständnisse dürften im Prozess nicht verwertet werden. Ihrer Meinung nach sei Abdullah damals nicht hinreichend belehrt worden, außerdem sei ihm bei den ersten Vernehmungen kein Anwalt zur Seite gestellt worden.

© SZ vom 3.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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