Morsen:Kurz oder lang

Hans Gall

Jahrzehntelange Übung: Hans Gall schafft beim Morsen von Hand bis zu 250 Buchstaben.

(Foto: Lukas Barth)

Hans Gall ist Amateurfunker und will aufs Morsen nicht verzichten

interview Von Günther Knoll

Morsen war lang Zeit eine der wichtigsten Kommunikationstechniken, nachdem Samuel Morse im Jahr 1833 den ersten brauchbaren elektromagnetischen Schreibtelegrafen gebaut hatte. Neue Technologien haben es inzwischen verdrängt, Ende 2014 wurde Morsen in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen. Hans Gall ist Vorsitzender des Ortsverbands München-Nord im Deutschen Amateur-Radio-Club. Er kann und will auf die Morsezeichen nicht verzichten.

SZ: Wir führen dieses Interview am Telefon, hätten wir auch morsen können?

Hans Gall: Kein Problem, es gibt inzwischen eine eigene Software für das Morsen. Das Absenden - das Geben, wie wir es nennen - machen wir Amateurfunker oft mit dem Computer. Weil es aber beim Übermitteln zu Störungen in den Frequenzen kommt, sollte man sich da besser nicht auf die Software verlassen. Da kommt dann zu viel Verstümmeltes raus. Ein Geübter kann aber diese Fehler raushören. Deshalb gilt beim Morsen: Mit den Ohren hören ist Ehrensache.

Kurz kurz kurz - lang lang lang - kurz kurz kurz: Die Morsezeichen für SOS sind manchem noch ein Begriff. Inzwischen schreibt man aber SMS, oder?

Die Alten können sich schon noch an die SOS-Signale erinnern. Die Telegrafie, die Seefahrt, das Militär, überall wurde ja früher gemorst. Was die Geschwindigkeit angeht, ist das Morsen einmalig. In den USA haben sie einen Wettbewerb veranstaltet: Was geht schneller, das Morsen oder das SMS-Schreiben? Der Morser hat das mit Abstand gewonnen. Das liegt auch daran, dass es beim Morsen viele international gültige Abkürzungen gibt.

Wird denn die Technik heute noch angewendet?

Na ja, in manchen Entwicklungsländern ist man noch drauf angewiesen. Auch das russische Militär morst noch und auch mancher Geheimdienst. Im Amateurfunkbereich betreiben das Morsen noch sehr viele, allerdings inzwischen freiwillig. Bis 2003 musste man in Deutschland sogar eine Prüfung im Geben und Hören von Morsezeichen ablegen, um die Amateurfunk-Lizenz zu bekommen. Das ist jetzt nicht mehr nötig. Trotzdem: Wenn man keine Station mit großer Sendeleistung hat, dann ist mit dem Morsen einfach weltweiter Betrieb möglich. Ein Mitglied unserer Ortsgruppe macht das zum Beispiel mit einer Antenne von seinem Balkon im Münchner Norden aus. Ich selbst nehme zum Bergsteigen oft ein ganz kleines Gerät mit. Das hat eine sehr schmale Empfänger-Bandbreite und die lässt eben so gut wie keine Störungen zu.

Sie sind sozusagen Tag und Nacht auf Empfang?

Für mich ist der Funk eine Freizeitbeschäftigung und ich bin Hochfrequenzingenieur, da gibt es sehr viele Überschneidungen. Seit meinem zwölften Lebensjahr beschäftige ich mich mit dem Morsen, jetzt bin ich 64. Bei der Bundeswehr habe ich sogar eineinviertel Jahre täglich nichts anderes gemacht. Das ist, wie wenn man ein Musikinstrument spielt, durch Üben wird man besser. Ich schaffe inzwischen von Hand beim Morsen bis zu 250 Buchstaben in der Minute. Damit gehöre ich sicher zu den besten 20 Morsern in Deutschland.

Und Sie versuchen diese Begeisterung weiterzugeben?

Ja, wir bieten in unserem Vereinsdomizil immer wieder Morsekurse an. Außerdem nehmen wir mit der Ortsgruppe auch an Wettbewerben teil. Gerade sind wir von einem solchen zurück: 24 Stunden Morsebetrieb im Gelände - da kommt's aber nur auf die Kontakte an, die wir empfangen. Unsere Ergebnisse werden dann per E-Mail zum Auswerten geschickt

Per E-Mail?

Ja klar, uns Funkern geht's um schnelle Übermittlung, wir nutzen alles. Das Morsen kann man mit dem Segeln vergleichen: Das hat heute auch keine kommerzielle Bedeutung mehr. Doch je besser man es beherrscht, desto mehr Spaß macht es.

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