Mordversuch im Gerichtssaal:TV-Anwalt rettet Dolmetscherin

Ein Angeklagter attackierte seine Dolmetscherin mit einem Nagel am Landgericht München. Der aus dem Fernsehen bekannte Anwalt Sewarion Kirkitadse schlug dem Mann die Waffe aus der Hand.

Alexander Krug

Ein dramatischer Zwischenfall hat gestern Morgen gegen 10.15 Uhr für erheblichen Wirbel im Justizzentrum an der Nymphenburger Straße gesorgt. Mitten in einem Drogenprozess zückte ein Angeklagter einen 20 Zentimeter langen Nagel, nahm die neben im sitzenden Dolmetscherin in den Schwitzkasten und drückte ihr den Drahtstift an den Hals.

Der Verteidiger Sewarion Kirkitadse griff geistesgegenwärtig nach dem Nagel, dann sprangen ihm auch schon zwei Justizbeamte zur Hilfe und überwältigten den Mann. Die Polizei nahm umgehend Ermittlungen wegen versuchten Mordes auf.

Giouri A., 35, soll an verschiedene Abnehmer insgesamt rund zehn Gramm Heroin verkauft haben. Weil die Polizei bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung auch eine Pistole, Modell Walter PPK, gefunden hatte, lautete die Anklage auf "bewaffnetes Handeltreiben", Mindeststrafe fünf Jahre Haft.

Nach Verlesung der Anklage kam es zu einer kurzen Besprechung der Prozessbeteiligten. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens zückte der gebürtige Georgier mit griechischem Pass plötzlich den Nagel, drückte ihn der Dolmetscherin an den Hals und schrie auf russisch: "Ich möchte reden, dann können sie mich umbringen." Möglicherweise fühlte er sich durch die Absprachen übergangen.

Keiner der Prozessbeteiligten erkannte zunächst den Ernst der Lage. Auch Anwalt Kirkitadse, der schräg hinter dem Angeklagten saß, sah zunächst nur "etwas Blitzendes" und dachte an eine Stricknadel. "Erst als ich zugriff, erkannte ich, dass es ein Nagel war."

Zwei Justizbeamte kamen ihm sofort zur Hilfe und überwältigten Giouri A., der anschließend in eine Haftzelle abgeführt wurde. Verletzt wurde keiner der Beteiligten. Wenige Minuten nach der Attacke waren bereits etliche Polizeibeamte am Ort, auch die Mordkommission rückte mir vier Mann an und nahm die Ermittlungen auf, die laut Staatsanwalt Martin Kronester zunächst einmal wegen versuchten Mordes geführt werden.

Attacke ist unerklärlich

Für Anwalt Kirkitadse, 50, ist die Attacke "unerklärlich", zumal dem Angeklagten bei einem Geständnis bereits eine Strafe von 20 Monaten in Aussicht gestellt worden sei. Kirkitadse ist neben einer Anwaltstätigkeit einem größeren Publikum vor allem wegen zahlreicher Fernsehauftritte bekannt. In der Kriminaldoku K 11 gibt er den Staatsanwalt, auch in der Gerichtsshow Richter Alexander Hold mimt er den Ankläger.

Wie kam der Nagel in den Sitzungssaal?

Russisch-Dolmetscherin Erina J., 50, kam mit einem "Riesenschreck" davon. "Es ging alles so schnell, die Beamten haben mir das Leben gerettet." In 16 Jahren als Dolmetscherin habe sie so etwas noch nicht erlebt. "Es war ein schlimmes Gefühl." Völlig unklar ist, wie es dem Angeklagten gelang, den Nagel am Körper in den Sitzungssaal zu schmuggeln. Giouri A. sitzt in der JVA Stadelheim in Untersuchungshaft.

Am Morgen war er mit einem Gefangenen-Transporter ins Gericht gebracht worden. Üblicherweise werden alle Häftlinge vor dem so genannten Schub noch einmal gründlich durchsucht. Ein Kripobeamter kündigte bereits "interne Ermittlungen" zu dem Vorfall an.

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