Mord nach Haftentlassung:Tod einer Bardame

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Eigentlich galt der alkoholkranke Jurij S. als genesen. Doch nur einen Tag nach seiner Haftentlassung stach er in einem Nachtlokal zu - und tötete eine befreundete Bardame. Zu den Vorwürfen schweigt er vor Gericht.

Von Christian Rost

Der alkoholkranke Jurij S. galt als austherapiert, als er im März 2013 aus einer geschlossenen Entziehungsanstalt entlassen wurde. Die positive Prognose der Ärzte und Psychiater für den Russen, der nach einer Messerattacke auf einen Landsmann wegen versuchten Mordes acht Jahre im Gefängnis und in Zwangstherapie war, sollte sich aber bereits nach wenigen Stunden als völlig falsch erweisen: Jurij begann sofort wieder zu trinken. Im Rausch soll er dann nur einen Tag nach seiner Entlassung eine Bardame in einem Münchner Nachtlokal erstochen haben. Wegen Mordes muss sich der 46-Jährige seit Montag vor dem Schwurgericht verantworten.

S. hatte bereits ein Jahr vor der mutmaßlichen Tat vom Isar-Amper-Klinikum kontrollierten Ausgang zugebilligt bekommen. In dieser Zeit lernte er laut Anklage Natallia G. kennen, eine 35-Jährige, die in der Arnulfstraße im "Kapitol" arbeitete. In dem Nachtlokal gab es nicht nur etwas zu trinken: In Separees tanzten Frauen gegen Bezahlung für die Gäste und standen offenbar auch für mehr zur Verfügung.

Jurij S. verliebte sich in die Bardame

Auch S. war dort regelmäßig Gast und verliebte sich in die Weißrussin, die ihren Verehrer aber enttäuschte. Sie habe einen Mann und eine 13-jährige Tochter in ihrer Heimat, sagte sie. Der ehemalige Berufssoldat der Sowjetischen Streitkräfte in der DDR, der nach der Wende desertiert und nach München geflohen war, ließ aber nicht locker. Er machte ihr Geschenke und bot sich für Reparaturen in ihrer Wohnung an. Natallia G. lehnte diese Freundschaftsdienste nicht ab, war an mehr aber nicht interessiert, während sich S. offenbar unentwegt Hoffnungen machte.

Nach seiner Entlassung aus der Entziehungsanstalt am 3. März 2013 wollte er sogar bei ihr einziehen, doch dazu kam es nicht mehr. Mit mehreren hundert Euro Überbrückungsgeld in der Tasche suchte er zunächst einen Mann auf, mit dem er in der Klinik in Haar war, und feierte seine wiedererlangte Freiheit mit reichlich Wodka. Dann besuchte er eine andere Bekannte, die er über Natallia G. kennen gelernt hatte, und ging mit ihr ins "Kapitol".

Was dort geschah, wollte der Angeklagte vor Gericht nicht sagen. Seine Anwältin Anna Welker richtete aus, dass S. sich weder zu seinem Lebenslauf noch zum Tatvorwurf äußern wolle. Bei der Polizei und während der Begutachtung durch den Psychiater Norbert Nedopil in der U-Haft hatte er allerdings die Messerattacke auf die Bardame gestanden. Er habe ihr das Messer in den Bauch "geschlagen", zitierte der als Zeuge geladene Nedopil den Angeklagten.

Sex als Geschenk für seine Entlassung

Nach dieser Schilderung will S. bei seinem Barbesuch in der Nacht zum 5. November Natallia G. zum Sex überredet haben, als "Geschenk" für seine Entlassung. Es hätten sich sonst keine Gäste mehr im "Kapitol" aufgehalten, als es dazu gekommen sei, schilderte Nedopil. Danach saß Jurij S. wieder an der Bar und zerteilte mit einem Messer eine Zitrone für seinen Wodka. In einem Anfall von Eifersucht soll er der Frau dann unvermittelt ein vermeintliches Verhältnis mit einem Türken vorgeworfen haben, was Natallia G. bestritten habe.

Um ihren Verehrer auf Distanz zu halten, soll sie ihm gedroht haben: "Ich mach dir die Hände kurz", was bedeuten sollte, dass sie Freunde habe, die ihn unter Druck setzen könnten. Aus Wut darüber habe er sich zu der Frau umgedreht und mit dem Messer zugestochen, hatte S. dem Psychiater erzählt. Natallia G. verlor mehr als zwei Liter Blut. Sie konnte nicht mehr gerettet werden. Nach S.s Angaben hatte er noch einen Rettungswagen gerufen und die leblose Frau den Sanitätern übergeben. Ehe die Polizei an der Bar eintraf, tauchte S. unter. Zielfahnder spürten ihn drei Tage später in Dresden auf und nahmen ihn fest. Für den Prozess sind noch acht Verhandlungstage angesetzt.

© SZ vom 14.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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