Moosach:Vertreibung aus dem Paradies

Die Kleingärtner an der Hartmannshofer Straße fürchten um ihre Anlage, seit deren Eigentümer eine Bauvoranfrage für sieben Wohnhäuser gestellt haben. Rätsel geben dabei Auskünfte des Planungsreferats auf

Von Anita Naujokat, Moosach

Noch vor drei Jahren hatten die Eigentümer der Kleingartenanlage an der Hartmannshofer Straße und deren Anwalt vor dem Landgericht München I beteuert, keineswegs die Kleingärtner vertreiben zu wollen. Sie prozessierten nur deshalb, weil sie einen angemessenen Pachtzins erhalten wollten - nämlich den für ein Freizeitgelände und nicht für Kleingärten - und zwar ohne den Münchner Bezirksverband Bahn-Landwirtschaft als Zwischenpächter. Man wolle direkte Verträge mit den Kleingärtnern abschließen, hieß es damals. Im März dieses Jahres aber reichten die Eigner dann eine Anfrage auf Vorbescheid für den Neubau von sieben Wohnhäusern mit maximal 14 Wohneinheiten auf dem Grundstück ein.

Die Kleingärtner fühlen sich jetzt getäuscht. Bisher sei nie von einer Bebauung die Rede gewesen, sagt Karl-Heinz Bendner, Geschäftsführer der Bahn-Landwirtschaft Bezirk München. "Die Voranfrage zeigt die wahren Absichten und hinterlässt einen faden Beigeschmack", sagt er, zumal man davon nur durch die Hintertür über Nachbarn erfahren habe.

Die Grundstücksgemeinschaft bestätigt die Bauabsichten, bestreitet aber, die Kleingärtner getäuscht zu haben. "Wir haben niemanden hintergangen", sagt einer der Eigner, der nicht mit Namen in der Zeitung genannt werden möchte. Er und seine Partner seien immer davon ausgegangen, dass das Grundstück im Außenbereich liege, wo nicht gebaut werden dürfe. So habe stets die Auskunft aus der Lokalbaukommission gelautet. Bis das Planungsreferat im Januar 2014 auf eine Stadtratsanfrage der CSU-Rathausfraktion zum gleichen Thema antwortete. Darin beurteilt die Behörde das Gebiet ganz klar als Innenbereich, in dem gebaut werden könne. "Für uns kam das völlig überraschend, war für uns aber natürlich auch ein glücklicher Umstand", sagt der Eigner. Unverständlich sei für ihn nach wie vor nur, warum zwei völlig widersprüchliche Aussagen aus ein- und derselben Behörde kommen konnten.

In seiner Stellungnahme zu den Fragen der CSU hält das Planungsreferat zur gleichen Zeit - also im Januar 2014 - außerdem fest, dass ihm keine konkreten aktuellen Nutzungsabsichten der Eigentümer bekannt seien und auch keine Anträge vorlägen. Das deckt sich mit der Aussage des Eigners, bis dahin nichts von einem Baurecht gewusst zu haben. Demnach waren die Eigner also erst durch die Einmischung der Politik darauf gekommen, die eigentlich die Absicht hatte, die Gärten zu retten.

Doch noch wird weiter vor Gericht gestritten. In erster Instanz haben die Kleingärtner gewonnen. Die 28. Zivilkammer des Landgerichts München I hatte die Klage abgewiesen und die Kleingärtner in ihrem Status bestätigt. Damit gelten für sie bei Kündigung und Pacht die Privilegien des Bundeskleingartengesetzes und nicht das Bürgerliche Gesetzbuch. Seit zwei Jahren ist das Verfahren jetzt am Oberlandesgericht anhängig, da die Kläger in Revision gegangen sind. Der 23. Senat hatte in der ersten Verhandlung das Gutachten eines Sachverständigen angefordert, der prüfen sollte, ob die 22 Parzellen südlich der Allacher Straße tatsächlich kleingärtnerisch genutzt werden. Nachdem das Gutachten fertig war, wollte die Klägerpartei noch Fragen beantwortet haben. Nach zwei Jahren findet der nächste Prozesstermin jetzt am Donnerstag, 24. September, statt.

Dass das Planungsreferat die Bauvoranfrage schon positiv beschieden hat, ist kein Widerspruch zu dem noch laufenden Verfahren. In diesem Fall sticht Planungsrecht Zivilrecht: "Die privatrechtlichen Verhältnisse können einer Baugenehmigung nicht entgegengehalten werden", sagt der Sprecher des Planungsreferats, Martin Klamt. In der Bayerischen Bauordnung sei ausdrücklich geregelt, dass eine Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte von Dritten erteilt werden könne. Zivilrechtsstreitigkeiten hätten also keinen Einfluss darauf, ob Baurecht bestehe oder nicht, sagt Klamt. Diese könnten höchstens theoretisch dazu führen, dass der Bauherr eine Baugenehmigung zunächst oder überhaupt nicht in Anspruch nehmen könne. Und weil das Gelände im Innenbereich liege, spielten auch die Darstellungen im Flächennutzungsplan als Kleingärten - anders als in einem Außenbereich - keine große Rolle.

Doch selbst wenn die Kleingärtner auch vor dem Oberlandesgericht gewinnen sollten, sieht es schlecht um ihre Belange aus: Denn nach dem Bundeskleingartengesetz kann eine Kleingartenanlage gekündigt werden, wenn eine andere Nutzung möglich ist. "In dem Fall sind uns die Hände gebunden", sagt Bendner von der Bahn-Landwirtschaft. "Wenn die Landeshauptstadt meint, es könne gebaut werden, dann sind unsere Mittel erschöpft." Letztlich könne nur noch Einspruch gegen die konkreten Baupläne erhoben werden. Bendner hofft, bis dahin noch eine gewisse "zeitliche Perspektive" zu haben.

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