Moosach:Kampf an vielen Fronten

Moosach: Pustekuchen: Der Verwaltungsapparat hinkt der raschen Entwicklung in der IT-Technik gerade in Schulen oft noch hinterher.

Pustekuchen: Der Verwaltungsapparat hinkt der raschen Entwicklung in der IT-Technik gerade in Schulen oft noch hinterher.

(Foto: Catherina Hess)

Beim Bildungsgespräch für Münchens Norden klagen Schüler, Eltern und Lehrer über mangelnde IT-Ausstattung, Personalmangel und Organisationswirrwarr. Stadtschulrätin Zurek macht sich für Ganztagsklassen stark

Von Anita Naujokat, Moosach

Es ist ein Fall, wie er im reichen München eigentlich nicht vorkommen dürfte. In Vierergruppen aus mehreren Klassen zusammengefasst, mussten Schüler der Mittelschule an der Simmernstraße zu den Prüfungen für ihren qualifizierenden Abschluss pro Gruppe mit nur jeweils zwei Computern auskommen, von denen auch nicht alle funktionsfähig gewesen seien. Das berichtete der 15-jährige Leon Klatte am Montagabend beim Bildungsgespräch für Münchens Norden mit der SPD-Landtagsabgeordneten Diana Stachowitz und der Bildungsreferentin der Landeshauptstadt München, Beatrix Zurek. Leon Klatte sagt, dass er wegen der schlechten IT-Ausstattung seinen Wirtschafts-Quali nicht so gut habe abschließen können.

Leons Mutter, Kesslin Klatte, kämpft als Vorsitzende des Elternbeirats der Simmernschule und als zweite Vorsitzende des gemeinsamen Elternbeirats der Stadt für alle 44 Mittelschulen an vielen Fronten: unklare Zuständigkeiten, mangelnde Informationen, fehlende Organisationshilfen für Elternbeiräte, schlechte Technik. "Wir fahren mit einem Megabit für zwei Computerräume, das Maximiliansgymnasium daneben hat 120", sagt sie. Inzwischen seien Breitbandkabel verlegt, aber nicht angeschlossen.

Haben die Mittelschulen in München keine Lobby? Doch auch Gymnasien kämpfen mit schlechter Ausstattung, wie eine Elternvertreterin vom Moosacher Gymnasium berichtete: "Man muss eine Viertelstunde früher kommen, um die Programme rechtzeitig starten zu können."

Auch in den rhythmisierten Ganztagsklassen mit Unterricht im Wechsel zu anderen Aktivitäten sahen Lehrer und Eltern in der überwiegend von Elternvertretern besetzten Versammlung im Alten- und Service-Zentrum in Moosach große Probleme. Diese brächten Lehrkräfte und Kinder an ihre Leistungsgrenzen, schilderte es eine Lehrerin für Religion an einer Realschule. "Ich bin gegen Unterricht am Nachmittag, das ist für mich die Hölle und macht die Kinder fertig", sagte sie. Auch könnten Lernschwächen in höheren Ganztagsstufen personell nicht aufgefangen werden, so eine Elternbeirätin der Mittelschule an der Leipziger Straße.

Doch in diesem Punkt ließ Zurek nicht mit sich reden. Sie sei eine große Verfechterin der gebundenen Ganztagszüge, sagte sie. Sie lebten von der Qualität und davon, wie sie praktiziert würden. Da könnten durchaus "revolutionäre Ideen" entwickelt werden. Man müsse ja nicht unbedingt Mathe-Unterricht in die Nachmittagsstunden legen. "Immer wenn etwas nicht funktioniert, ist nicht die Hülle, sondern der Inhalt zu hinterfragen." Um den ebenfalls beklagten Lehrermangel zu beheben, setzt Zurek auch auf Fachkräfte aus ganz anderen Bereichen, und da gehe es um staatliche Finanzen.

Auf landespolitischer Ebene schwebt Diana Stachowitz vor, Bildung zu regionalisieren. Eine Stadt wie München habe andere Bedürfnisse als eine Schule im ländlichen Raum. Entsprechend müsste auch mit den Mitteln umgegangen werden. "Aber der Freistaat handelt nach dem Gießkannenprinzip." Es sei mehr Personal notwendig, und es müsste ebenso wie bei Kitas Anspruch auf einen Platz in einer Ganztagsklasse geben. "Ich glaube, die Landesebene ist am meisten gefordert", sagte der Elternbeirat eines Kindergartens. Er beklagte, dass nicht alles aus einem Guss sei: Zuständigkeits- und Verwaltungsverflechtungen zwischen Stadt und Land. "Das bekommen Entwicklungsländer oft besser hin." Kommune und Land müssten auf Qualität setzen, sonst bekomme man Verhältnisse wie in Berlin oder Großbritannien.

Über den Fall von Leon zeigte sich selbst Stadtschulrätin Beatrix Zurek erschüttert. An Geld allein kann es nicht liegen. Drei Milliarden Euro hat die Stadt für Schulbauprogramme auf den Weg gebracht. Pilotmodelle sind auf dem Weg. Digitalisierung beschränke sich nicht allein auf die Infrastruktur, sondern auch auf pädagogische Qualitäten. "Aber das eine geht ohne das andere nicht", hatte Zurek eingangs erklärt. Doch auch eingeräumt: "Manche Dinge gehen nur behäbig voran, aber das ist ein schlechter Trost für den Schüler."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: