Moosach:Das Geschenk der Adalfrit

Vor 1200 Jahren wurde die alte Sankt-Martins-Kirche in Moosach erstmals in einem Dokument erwähnt, was die katholische Pfarrgemeinde nun mit einer Reihe von Veranstaltungen gebührend feiert

Von Anita Naujokat, Moosach

Im Jahr 815, es war der 2. Oktober, erneuert Adalfrit im Beisein ihrer Eltern und ihres Bruders Hiltolf die Schenkung ihrer Kirche in "Mosaha" an den Bischof von Freising. So hat es ihr verstorbener Gemahl, Graf Cundhart, gewollt. Und so hat es der Priester Tagipert auf Geheiß von Bischof Hitto in einem recht umständlichen Bericht festgehalten. Damit war vor 1200 Jahren erstmals die alte Sankt-Martins-Kirche in einem Dokument erwähnt, was die katholische Pfarrgemeinde nun mit einer Reihe von Veranstaltungen gebührend feiern wird.

Ob Cundhart nun ein Graf war oder nicht, darüber ist sich auch der Moosacher Heimatforscher Volker D. Laturell in seinem Stadtteilbuch über Moosach nicht ganz sicher. Für fraglich hält er auch, ob beide aus dem Dorf stammten. Gesichert ist jedoch, dass damals Grundherren kleine Eigenkirchen in unmittelbarer Nähe ihrer Höfe an Ortsrändern errichteten; anfangs übertrafen sie sogar die Zahl der kircheneigenen Gotteshäuser. Die Grundherren konnten sie wie all ihr anderes Eigentum nach Belieben verkaufen, tauschen, verpfänden oder eben verschenken - mitsamt dem Priester, wenn dieser unfrei war. Erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts machte die Kirche Druck. Sie legte den Grundherren nahe, ihre Eigenkirchen dem zuständigen Bischof zu übergeben. Aber nur, wenn das Gotteshaus auch mit genügend Pfründen ausgestattet wurde - sprich, die Kirche reichlich Grundbesitz und Arbeitskräfte dazu erhielt, um davon Priester und geistliche Notwendigkeiten finanzieren zu können. Geweiht worden war die Eigenkirche des Grafen Cundhart noch von Hittos Vorgänger Bischof Atto. Sie war vermutlich aus Holz und stand in etwa an der Stelle der alten Sankt-Martins-Kirche, vermutet Laturell.

Moosach: Das Gotteshaus ist ein Kleinod unter den Münchner Kirchen.

Das Gotteshaus ist ein Kleinod unter den Münchner Kirchen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Er hat der Geschichte des alten Gotteshauses mehr als zehn Seiten in seinem 2001 erschienenen Buch gewidmet. Auf ihn und Lothar Altmann, der die in der Pfarrkirche aufliegende Broschüre verfasst hat, stützt sich auch die Pfarrchronik. Um den Titel "älteste noch bestehende Kirche in München" konkurriert das Moosacher Kirchlein einzig mit der Heilig-Kreuz-Kirche in Fröttmaning, ebenfalls im Jahr 815 in einer Schenkungsurkunde erwähnt. Beide Kirchen müssen vor dem Jahr 800 entstanden sein. Für Laturell von der Geschichtssammlung Laturell/Mooseder und dem Moosacher Geschichtsverein ist Sankt Martin aber eindeutig das älteste sakrale Bauwerk Münchens, das noch steht. Gestützt sei dies durch Gutachten und Feststellungen des Landesamtes für Denkmalpflege. Der heutige Steinbau der Kirche sei im 12., spätestens im 13. Jahrhundert entstanden. Im "Konradinischen Matrikel" von 1315 sei Sankt Martin erstmals als Filialkirche von Sankt Peter und Paul in Feldmoching bezeugt. In einem sind sich alle einig: Beide gehören zu den wenigen noch erhaltenen romanischen Kirchen der Stadt. Und die rotgelbe spätgotische Fassadenmalerei von Sankt Martin, die bei einer Renovierung 1979 bis 1982 erneuert wurde, gilt als Rarität.

Viel spannender als die kleine Kirchenkontroverse im Münchner Norden ist die weitere Geschichte über die Jahrhunderte. 1560 stellt eine Kommission fest, dass in Sankt Martin nur "wenig Gmäl" (Gemälde) seien, aber "drei Altär(e) wol geziert" und ein Tag und Nacht beleuchtetes Sakramentshäusl. 1630 gab es Probleme mit der hölzernen Flachdecke, deren Tafeln und Deckchen in der Kirche alles erstickten. Hätten die Kirchenoberen nur ein bisschen in die Zukunft blicken können, hätten sie darüber wohl keine Gedanken mehr verschwendet: Im Dreißigjährigen Krieg nutzten die Schweden zwei Jahre später die Kirche als Pferdestall. Sie war der einzige Steinbau im ganzen Dorf, der nicht zerstört war. Danach hätte man sie eigentlich aufgeben können. Doch sie wurde repariert und restauriert, erhielt neue Altäre und Kunstwerke, mit denen viele Künstler- und Stifternamen verbunden sind.

Moosach: Die Sankt-Martins-Kirche in Moosach ist eines der ältesten erhaltenen sakralen Gebäude der Stadt.

Die Sankt-Martins-Kirche in Moosach ist eines der ältesten erhaltenen sakralen Gebäude der Stadt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein glücklicher Umstand für das Kirchlein war auch, dass in unmittelbarer Nähe an der Pelkovenstraße der spätere Kirchenlieddichter Johann Khuen (1606-1675) aufwuchs, der als einer der berühmtesten Moosacher in die Annalen einging. Der begabte Bauernjunge brachte es über ein vom Dorfpfarrer vermitteltes Stipendium zum Theologen und Benefiziat von Sankt Peter in München. Seine Lieder "Sagt an, wer ist doch diese" oder "O himmlische Frau Königin" singen Gläubige noch heute in Gottesdiensten. Zwanzig Jahre vor seinem Tod stiftete er die Sankt-Anna-Kapelle. Von ihr zeugt nur noch eine Figur der Schutzpatronin. Wird heutzutage gerne gegen das Geläut von Kirchenglocken vor Gericht gezogen, zahlten die Menschen früher sogar dafür. Je nach Größe ihrer Anwesen, hatten sie dem Mesner eine bestimmte Anzahl an Korngarben oder Brotlaibe - die sogenannten Läutgarben und Läutlaiber - für außergewöhnliche Läutdienste wie das Gewitter- oder Wettersegenläuten zu geben.

Mehr als 1100 Jahre lang gehörte das Gotteshaus als Filiale zu Sankt Peter und Paul in Feldmoching. Erst 1909 wurde Sankt Martin eigenständige Pfarrei. Einzig den Denkmalschützern jener Zeit ist es letztlich zu verdanken, dass die Kirche auch noch diese Jahrhundertwende überlebte. Damals sollte sie abgerissen werden, nachdem immer mehr Reparaturen bei immer weniger Geld anfielen und sie auch zu klein geworden war. Doch das Generalkonservatorium widersetzte sich vehement: "Die Kirche ist von kunstgeschichtlicher wie künstlerischer Bedeutung, so dass ihre Erhaltung vor allem auch als eine von den wenigen in nächster Nähe der Hauptstadt gelegenen romanischen Bauwerken . . . dringend geboten erscheint", nahm es damals Stellung. Seitdem hat sie noch zwei Weltkriege, einen Brand und auch den Bau der neuen Kirche Sankt Martin überstanden.

Mit Kirchenführungen, Konzerten, Vorträgen, Festen und festlichen Messen feiert die katholische Pfarrgemeinde das Jubiläum bis Ende des Jahres. Den Auftakt bildet ein Festgottesdienst am Samstag, 2. Mai, um 10.30 Uhr in der alten Sankt-Martins-Kirche am Moosacher Sankt-Martins-Platz. Anschließend geht es mit einem Festprogramm im Zelt auf dem Platz weiter. Es treten das "Hot-Corn-Trio + One", die Moosacher Schuhplattler, die Los Martinos und der Chor "Silberton" auf. Am Samstag, 9. Mai, um 16 Uhr ist eine Kirchenführung.

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