25 Monate Haft:Todesfahrt eines Epileptikers

Ein 44-jähriger Epileptiker erleidet am Steuer seines Wagens einen Anfall und fährt eine 17-jährige Schülerin tot. Weil er von seiner Krankheit wusste, wertete ein bayerisches Gericht den Unfall als fahrlässige Tötung.

Von Alexander Kappen und Susi Wimmer

Der Sachverhalt war in der Sitzung des Freisinger Amtsgerichts am Dienstag schnell geklärt. Dass der 44-jährige Angeklagte am 14. Juni 2012 wegen eines epileptischen Anfalls mit seinem Auto in Neufahrn von der Straße auf den Gehsteig geraten ist und dabei eine 17-jährige Schülerin tödlich verletzt hat, stand außer Zweifel. Der Angeklagte gab den Anfall zu.

Es galt jedoch zu klären, ob der Familienvater, dem seine Erkrankung bekannt war, wusste, dass er deswegen fahruntauglich war. Das Gericht meinte: ja. Es war überzeugt, dass der 44-jährige Familienvater eine grobe Pflichtverletzung begangen hatte, und verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und einem Monat.

Laut eines technischen Gutachtens fuhr der 44-jährige Familienvater die Schülerin mit etwa 50 Stundenkilometern an - dem Anschein nach ungebremst. Anschließend kehrte er mit seinem Wagen auf die Straße zurück und verursachte eine Kollision mit mehreren Autos. Das angefahrene Mädchen erlag am nächsten Tag im Krankenhaus seinen schweren Kopfverletzungen.

Der Angeklagte wirkte nach dem Unfall orientierungslos und apathisch, weshalb die Staatsanwaltschaft ihn auf Erkrankungen untersuchen ließ. Bei einer Blutuntersuchung wurden Spuren zweier Medikamente festgestellt, die zur Vorbeugung epileptischer Anfälle verwendet werden. Wie sich herausstellte, weiß der Angeklagte seit 2001 von seiner Erkrankung und ist seit Herbst 2011 in Behandlung. Damals war er innerhalb weniger Wochen zweimal in einem Supermarkt zusammengebrochen, aber noch vor Eintreffen der alarmierten Rettungskräfte wieder aufgestanden und mit seinem Auto nach Hause gefahren.

Die Neufahrner Polizei leitete damals kein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Allerdings meldete sie den Fall der Führerscheinstelle im Freisinger Landratsamt. Dort blieb die Sache jedoch unbearbeitet liegen, wie die Behörde kürzlich einräumte. Nach dem Unfall sei Landrat Michael Schwaiger über das Versäumnis informiert worden und habe das Landratsamt bei der Staatsanwaltschaft selbst angezeigt. Eine Mitarbeiterin der Führerscheinstelle wurde intern versetzt. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Unabhängig davon habe der Angeklagte nach den Vorfällen im November 2011 den Unfall vorhersehen können, befand das Gericht. Laut eines medizinischen Gutachters gelten Epileptiker, auch wenn sie Medikamente bekommen, nach einem Anfall ein Jahr lang als fahruntauglich und werden von ihrem Arzt darauf hingewiesen. Wie es in diesem Fall war, konnte nicht geklärt werden, der Angeklagte entband seinen Arzt nicht von der Schweigepflicht. In jedem Fall, sagte Richterin Lore Sprickmann-Kerkerinck, hätte der Angeklagte "mit gesundem Menschenverstand" selbst darauf kommen können und "sich informieren müssen".

Generell muss ein Autofahrer körperlich und geistig in der Lage sein, ein Fahrzeug sicher zu führen, sodass niemand anders gefährdet wird. Laut Fahrerlaubnis-Verordnung darf jemand etwa nach zwei Herzinfarkten unter Einschränkungen Auto oder Motorrad fahren, aber sich nicht mehr hinters Steuer eines Lkws oder Busses setzen. Bei einem Epileptiker entscheidet ein ärztliches Gutachten, ob er seinen Führerschein behalten darf. "Wenn Betroffene sich nicht selbst melden, sind wir auf Hinweise von der Polizei oder von Angehörigen angewiesen", sagte Kristin Nettelnbrecher, Sprecherin des Münchner Kreisverwaltungsreferates.

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