Modetrend:Hippie, Hippie, Hurra

Plötzlich laufen Frauen wieder mit Blumen im Haar durch die Stadt. Die Modebranche beschwört die Rückkehr der Siebziger - auch Münchner Designer mixen Nostalgie mit Moderne

Von Franziska Gerlach

Ein bodenlanger Rock hier, eine Häkelweste da, selbst Mädchen mit Blumen im Haar sieht man in diesen Tagen in der Stadt. Hippieflair, Siebziger-Revival - und das in München, wo sich die Leute modisch so gern ähneln und lieber weniger riskieren? Ja, auch in München. Das mag der Vehemenz geschuldet sein, mit der die Branche und die Medien für diesen Sommer die Rückkehr der Siebziger heraufbeschwören. Aber auch die Sehnsucht nach mehr Ungezwungenheit spielt womöglich eine Rolle, als könnte man mit der Mode auch ein wenig vom Lebensgefühl und der Aufbruchstimmung vergangener Jahre ins Heute verpflanzen. Drei Münchner Modemacher erklären, auf welche Weise sie sich der Epoche angenommen haben.

Wildlederner Kimono

Fransen, Wildleder und Bindegürtel. Maya Junger greift in diesem Jahr einiges auf, was wir aus den Siebzigern kennen. "Ich liebe Nostalgie", sagt Junger. "Nostalgische Teile sind für mich Anhaltspunkte in der schnelllebigen Zeit." Trotzdem sind ihre Kollektionen nicht als Kniefall vor der Mode dieser Epoche zu verstehen, schon gar nicht als Wiederauflage der elterlichen Garderobe. Schließlich, sagt sie, wolle sie Frauen einkleiden, nicht verkleiden.

Modetrend: Trend in diesem Sommer: Paisleymuster in Neonfarben auf Seide.

Trend in diesem Sommer: Paisleymuster in Neonfarben auf Seide.

(Foto: PR)

Davon ist die 43 Jahre alte Gründerin des Labels "Set" aber auch meilenweit entfernt: Hosen, Oberteile, Mäntel und Jacken sind moderne Interpretationen, die ihr tatsächlich so überzeugend gelingen, dass jetzt sogar Kaufhäuser wie Saks in New York oder Harrods in London die Münchner Marke listen. In der englischen Hauptstadt war Junger bis 1998 als Wirtschaftsanwältin tätig. Zurück an der Isar, übernahm sie gemeinsam mit ihrem Mann Alon Junger und ihrem Bruder Daniel Gottesdiener das Textilunternehmen ihrer Eltern, die "Oui Gruppe".

Im Jahr 2009 kam Set hinzu. Das Label ist Jungers Herzensprojekt: Bei ihrer Arbeit denkt die vierfache Mutter offenbar stets an eine Frau, die ihr selbst recht ähnlich ist. Diese Frau hält sich gern in Metropolen auf, sammelt zeitgenössische Kunst und Vintage-Möbel - und macht trotz aller Weltläufigkeit kein Bohei um die eigene Person. Diese wohltuende Unaufgeregtheit haftet auch Jungers Entwürfen an, und bei allem Hang zur Nostalgie schätzt sie an der Mode gerade die Vielfältigkeit. Die Siebziger als Inspiration? Gerne - aber eben nicht nur. So hat sie die Jacke aus dunkelblauem Wildleder zwar mit langen Fransen versehen, der Schnitt jedoch ist einer Kimonojacke nachempfunden. Die Idee dazu kam ihr auf einer Japanreise, jetzt ist das Stück der Favorit der Kollektion. Im eigenen Kleiderschrank hält es Jungers ebenfalls mit einem Mix aus alt und neu. Aus den Siebzigerjahren stammt eine ecrufarbene Rüschenbluse von ihrer Mutter, die sie am liebsten zu einer zerrissenen Jeans trägt. "Anything goes", sagt Junger. Und das sei toll.

Modetrend: Und Maya Junger hat eine Wildlederjacke mit langen Fransen versehen - der Schnitt dagegen ist eher japanisch.

Und Maya Junger hat eine Wildlederjacke mit langen Fransen versehen - der Schnitt dagegen ist eher japanisch.

(Foto: Robert Haas)

Ewige Schlaghose

Die Schlaghose ist zurück - schon wieder? Obwohl ihr Schnitt dem Träger wenig schmeichelt und sie beim Fahrradfahren schnell mal in die Speichen gerät, darf sie alle Jubeljahre ein Revival feiern. Grundsätzlich bescheinigt auch Erwin O. Licher, der seit mehr als 40 Jahren Hosen verkauft und vor elf Jahren das Münchner Jeanslabel "Herrlicher Blaustoff" gegründet hat, dem Kleidungsstück mit dem trichterförmigen Bein erneut ein Comeback. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht.

Zwar bestehe tatsächlich eine verstärkte Nachfrage nach der Hose, sagt der gebürtige Hesse, der Röhrenjeans drohe dadurch jedoch nicht das Aus. Wie auch? "Eine Frau kann ja schlecht von heute auf morgen ihre ganze Garderobe umstellen", sagt er. Es seien insbesondere die Klischees aus der Hippiezeit - die Romantik, das Feiern und die Freiheit - aus der auch die Schlaghose ihre Faszination ziehe. Daher springen Lichers Ansicht nach auch eher jüngere Generationen darauf an, die diese Zeit nicht selbst miterlebt haben.

Modetrend: Erwin O. Licher hat in seiner Jeanskollektion eine Schlaghose im Angebot.

Erwin O. Licher hat in seiner Jeanskollektion eine Schlaghose im Angebot.

(Foto: Robert Haas)

Bereits 2006 hatte der Modemacher eine Interpretation des Klassikers auf den Markt gebracht, und wie es der Trend verlangt, beinhaltet auch die aktuelle Kollektion eine Schlaghose. In seinem Showroom im Münchner Norden breitet er das Modell der Stunde auf dem Tisch aus, und erteilt eine Lektion in Hosenkunde: Selbst wenn Licher kräftig an dem cremeweiß gebleichten Stoff zieht, springt er sofort in seine Form zurück. Charakteristisch für die Schlaghose sei natürlich das weite Bein - entweder vom Oberschenkel oder vom Knie an. Allerdings hätten die Hosen früher hinten oft keine Taschen gehabt, oder sie seien weiter oben am Po aufgenäht gewesen. Lässt sich in dem elastischen Stoffen von heute problemlos Sport treiben, konnte es damals schon mal eng werden, nicht nur in der Schlaghose. Licher erinnert sich an eine Jacke. "Da hat es einem beim Autofahren fast die Arme abgeschnürt, wenn man um die Kurve gelenkt hat."

Brachiale Tränen

Zum Fototermin trägt der bunte Vogel der Modeszene nichts als schwarz, einen Kaftan hat Marcel Ostertag übergeworfen, es ist gewissermaßen sein ganz persönliches Bekenntnis zu den Siebzigern. "Für die Mode war die Zeit eine Revolution", sagt er. Schon als der im Jahr 1979 in Berchtesgaden geborene Designer am Central St. Martins College in London studiert hat, blätterte er in der Bibliothek der renommierten Ausbildungsstätte am liebsten durch die Modestrecken dieser Zeit, durch Vogue und Harper´s Bazaar.

Modetrend: Designer Marcel Ostertag.

Designer Marcel Ostertag.

(Foto: Robert Haas)

Besonders hat es ihm das Paisleymuster angetan. Den Print sollen einst die Briten aus ihrer Kolonie in Indien nach Europa gebracht haben. Kein Wunder also, dass auch die Hippies daran Gefallen fanden, waren sie doch regelrecht vernarrt in die indische Kultur. Bei Ostertag findet sich das Muster in diesem Sommer in Neonfarben auf Seide wieder. Dabei zerschmettert er noch gleich das etwas biedere Image, das dem Paisley heute anhängt. Durch eine eher grafische Darstellung nimmt Ostertag ihm seine Feinheit, fast brachial bricht er die Konturen des Paisleymusters auf, die in der Grundform an Tropfen oder Tränen erinnern. Die Siebziger sind für den Designer mehr als Rockfestivals und Hippie-Feeling, wegweisend seien sie gewesen in Kunst und Musik. Vor allem aber der von ihm so bezeichnete "Powerschritt in die Weiblichkeit" inspiriere ihn, sagt Ostertag. Immerhin huldigt auch er mit seiner Mode dem Femininen. Seit zehn Saisons arbeitet der Designer mit den Silhouetten der späten Siebzigerjahre. In diesem Sommer betont zum Beispiel ein Overall die Kurven eines Frauenkörpers, bei einem Kleid fällt meterweise Stoff zu Boden, leicht und fließend.

Ist München überhaupt bereit für diese Opulenz? Schon, findet Ostertag. Trotz ihrer dörflichen Ausstrahlung biete die Stadt auch einem Paradiesvogel wie ihm sehr viel Freiheit. "Wenn man hier etwas Besonderes ausdrückt, wird man auch besonders behandelt", sagt er. "Und das finde ich schön."

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