Moderne Medizin in München:In bester Behandlung

Moderne Medizin in München: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Eine Stadt, zwei Unikliniken, unzählige Leuchttürme: München ist mit Medizin überreich gesegnet. Der Wettbewerb zwingt auch die anderen Krankenhäuser zu Spitzenleistungen - selbst bei der Unterbringung der Patienten.

Von Stephan Handel

Es ist, wieder einmal, schade, dass München nicht am Meer liegt - nicht aus touristischen Gründen dieses Mal, sondern weil die Stadt offensichtlich einen wichtigen Beitrag zur Christlichen Seefahrt zu leisten imstande wäre. Denn München ist ein Leuchtturm, beziehungsweise: viele Leuchttürme. Das fand der Ministerpräsident etwa 2011, da ging es um die Helmholtz-Gesellschaft. Ein Jahr zuvor schon hatte Horst Seehofer einen Leuchtturm ausgemacht, als die Garchinger Neutronenquelle eingeweiht wurde.

Die Kliniken des Bezirks Oberbayern, zum Teil ebenfalls in der Landeshauptstadt ansässig, rühmen sich ein "Leuchtturm der Demenzversorgung" zu sein, während am Schwabinger Krankenhaus ausweislich eines Vortragstitels die Chefärzte als Leuchttürme wirken. Das LMU-Klinikum beherbergt natürlich Leuchttürme in großer Anzahl, jenen für Lungenkrankheiten etwa, den für Kindermedizin, der nun bald von der Lindwurmstraße nach Großhadern ziehen wird, wohingegen die Ziemssenklinik an ihrem alten Standort bleiben wird, denn dort hat sie sich nach den Worten ihres Direktors "von der Keimzelle zum Leuchtturm" entwickelt. Sogar die Stadtverwaltung macht mit bei der flächendeckenden Illumination des Medizinwesens: Sie erhielt 2011 einen Preis für herausragende betriebliche Gesundheitsförderung, einen Preis in Gestalt eines, genau: Leuchtturms.

Wenn der Mensch zum Patient wird

Könnte sein, dass die Menschen in der Stadt vor lauter Leuchttürmen bald schon nicht mehr wissen, wo sie hingehen sollen, wenn sie krank sind. Und tatsächlich dauert es eine Zeit, im Gewirr von Unikliniken, städtischen Kliniken, Kliniken in freier Trägerschaft und Privatkliniken einen Überblick zu bekommen, wer zu wem gehört. Glücklicher- und unglücklicherweise kommen die meisten Menschen nur selten in ihrem Leben in die Bedrängnis, sich ein Krankenhaus aussuchen zu müssen. Glücklicherweise, weil das ja immer eine ernsthafte Erkrankung bedeutet. Unglücklicherweise, weil sie dann einigermaßen hilflos vor dem zweifellos in der Stadt vorhandenen Überangebot stehen.

Diese Hilflosigkeit führt naturgemäß zu Misstrauen. Umso mehr, weil sich ja niemand gerne etwas ausliefert, das er nicht kennt und nicht beherrscht. Ärzte kommen und schließen ihn an Maschinen an, die piepsen und röcheln; sie traktieren ihn mit Spritzen, deren Inhalt sie ihm nicht erklären; sie schicken ihn durch Routinen, deren Erkenntniswert ihm fremd bleibt. Der Mensch, wenn er zum Patienten wird, fühlt sich ausgeliefert an eine Medizin, die viel zu oft nicht sagt, was sie tut und warum das helfen soll. Und allein daran misst sich doch jede Therapie: ob sie den Menschen gesund macht.

Das heißt, seit gut 100 Jahren, "evidenzbasierte Medizin": Medizin, die nicht auf Glauben, Mythen, Ritualen basiert, sondern die, um anerkannt zu werden, beweist, dass sie besser hilft und weniger schadet als andere Methoden. Medizin, die auch dann hilft, wenn man nicht an sie glaubt. München ist, was diese Medizin der Fakten betrifft, überreich gesegnet - womit nun wieder die Leuchttürme ins Spiel kommen.

5322 Ärzte

arbeiten laut Statistischem Jahrbuch der Stadt an den 47 Kliniken im Münchner Stadtgebiet (Stand 31. Dezember 2012) und behandeln dort jährlich etwa 460 000 Patienten stationär. 24 448 Personen sind im nicht-ärztlichen Dienst der Krankenhäuser beschäftigt, darunter rund 17 000 im Pflegebereich. Das Jahrbuch verzeichnet zudem 3717 niedergelassene Ärzte (ohne Privatpraxen) und 395 Apotheken.

Wenn geforscht wird, geschieht das naturgemäß zunächst an Universitäten, dort ist die Wissenschaft zu Hause, dort wird sie vorangetrieben. München hat nicht nur eine, sondern gleich zwei davon. Und weil die eine davon eine Technische Universität ist - die aber dennoch auch Mediziner ausbildet -, entsteht allein dadurch ein breites Spektrum an Forschungsgegenständen, an Zusammenarbeiten, an unterschiedlichen Herangehensweisen. Grob gesagt: Am LMU-Klinikum sieht medizinische Forschung eher so aus, wie sich das auch der Laie vorstellt, mit Reagenzglas und Mikroskop im Labor.

Konkurrenz unter Kliniken, Vorteile für Patienten

Die Ärzte am Klinikum rechts der Isar, das zur Technischen Universität gehört, tun sich dagegen eher mit den dortigen Ingenieuren zusammen und forschen über Bildgebung, über Miniaturisierung von Methoden und Geräten bis in den Nano-Bereich. Und auch, weil das ja zur Mechanik gehört und deshalb ebenfalls Ingenieure interessiert, über Sportmedizin und Orthopädie, wie Knochen wirken und was passiert, wenn sie nicht mehr so funktionieren, wie sie sollen.

Das ist natürlich eine sehr starke Vereinfachung, denn auch am Rechts der Isar befassen sich forschende Ärzte mit Gentherapie und Stammzellen, mit den innersten Strukturen des menschlichen Körpers. Das, also klassische medizinische Forschung, ist die Domäne des LMU-Klinikums. Dessen Leuchtturmhaftigkeit beweist sich schon dadurch, dass es neben der Berliner Charité das einzige deutsche Krankenhaus ist, das in internationalen Rankings auf vorderen Plätzen zu finden ist. Beiden Münchner Universitätskliniken ist zu eigen, dass sie großen Wert darauf legen, ihre Forschungen auch den Patienten zugute kommen zu lassen - von der Laborbank ans Patientenbett, "from bench to bedside", so heißt das Schlagwort.

Hohe Messlatte für städtische, private und freie Kliniken

Das ist also Spitzenmedizin in München. Wer immer irgendwo in Bayern an einer sehr schweren oder sehr seltenen Erkrankung leidet, wird über kurz oder lang kaum an einer der hiesigen Uni-Kliniken vorbeikommen. Die Latte aber, die rechts vom Fluss und tief im Süden sehr hoch gelegt wird, sie hat auch Auswirkungen auf die restlichen Kliniken in der Stadt, die städtischen, die privaten, die in freier Trägerschaft.

Sie müssen auf einem umkämpften und engen Markt bestehen und sind deshalb gezwungen, ihr Niveau zumindest ansatzweise an die Universitätskliniken anzupassen. Oder sich Nischen suchen, die dort nicht oder nicht mit Nachdruck bedient werden. So kommt es, dass nahezu jede Anforderung befriedigt werden kann, dass es Spezialisten für alles und jedes gibt, dass Kliniken bereit sind, innovative oder seltene Methoden zu entwickeln und anzubieten - bis hin zu jenen Häusern, deren Ziel es ist, beides zu sein: Klinikum und Spitzenhotel.

Entscheidungsfreiheit für den Patienten

Was der Patient davon hat? Er hat die Gewissheit, dass, wenn es nötig ist, sich die besten Fachärzte mit seinem Fall beschäftigen, immer mehr auch über die Grenzen der Disziplinen hinweg. Er kann, wenn es keine dringliche Operation ist, sich aussuchen, welcher Arzt für ihn der beste ist. Er kann entscheiden, welche Klinik für ihn am besten geeignet und - auch das ist nicht gering zu schätzen - am besten zu erreichen ist. Er hat die Möglichkeit, einen zweiten oder einen dritten Arzt zu fragen. Und er stößt eventuell dabei auf einen, der ihm sagt: Für Sie haben wir etwas ganz Neues. Das mag ihn gelegentlich überraschen, vielleicht sogar mal verblüffen.

Solche überraschenden, verblüffenden, innovativen Therapien stellt die neue SZ-Serie "Die Gesundmacher" vor, die in dieser Ausgabe beginnt: Geschichten über Ärzte, die nicht nur tun, was sie immer schon getan haben, sondern die auf der Suche sind nach bislang unbekannten Routen auf den Landkarten der Genesung - neue Routen, entdeckt in einer Stadt voller Leuchttürme.

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