Modenschau:Guter Stoff

Studenten für Mode und Design haben antike Kleider modern interpretiert. Bald werden die Entwürfe unter anderem in der Glyptothek zu sehen sein - für das Museum ist das ein Weg, junges Publikum anzulocken

Von Franziska Gerlach

Helena, die Tochter von Zeus und Leda, soll ja ein echter Hingucker gewesen sein. Gegen das grazile Model hier in seiner Traumrobe hätte die Schöne aus dem alten Griechenland aber nicht den Hauch einer Chance gehabt. Denn wie die junge Münchnerin gerade unter dem meterhohen Deckengewölbe der Glyptothek posiert, das ist, nun ja, ein Bild für die Götter. Nur wie konnte es zum Beispiel Susanna Niklas, 21 Jahre alt, gelingen, aus einem antiken Stoffgelage ein modernes Kleid zu machen? Ganz einfach: Niklas, drittes Semester Modedesign an der Akademie für Mode und Design (AMD), hat am Original studiert. Und zwar dort, wo das in München am besten geht: eben in der Glyptothek mit ihren Exponaten.

Die Studenten zweier Jahrgänge haben Vasen und Statuen und andere Ausstellungsstücke zum Vorbild genommen und dann antike Mode neu interpretiert. Niklas etwa hat sich mit Leda und ihrem Schwan auseinandergesetzt, also mit einer der wohl bekanntesten Szenen der griechischen Mythologie - die Tochter des ätolischen Königs Thestios war im alten Griechenland ein beliebtes erotisches Motiv. Die Falten ihre Kleides rauschen wie ein Wasserfall nach unten, ein Ärmel ist einem Flügel des Schwans nachempfunden. "Aber halt futuristisch, ein cleanes Design", sagt Niklas. 24 Entwürfe von ihr und ihren Kommilitonen vereint die Schau "Divine x Design - Das Kleid der Antike", die im nächsten Frühjahr startet, zwölf davon werden neben den Statuen in der Glyptothek präsentiert, zwölf weitere gegenüber in der Antikensammlung.

Modenschau: Studenten haben Vasen und Statuen und andere Ausstellungsstücke zum Vorbild genommen und dann antike Mode neu interpretiert.

Studenten haben Vasen und Statuen und andere Ausstellungsstücke zum Vorbild genommen und dann antike Mode neu interpretiert.

(Foto: Robert Haas)

Einen ersten Blick auf das, was den Besucher dann erwartet, gab es am Donnerstagabend bei einer Einführung in das Projekt. Eine Modenschau also, zwischen Häppchen, Streichmusik und dem Bass von Oliver Nägele, Schauspieler am Residenztheater, der andächtig aus Ovids Metamorphosen vorliest. Die Models wandeln mit jener adoleszenten Lässigkeit durch die ehrwürdigen Hallen, die man von internationalen Laufstegen kennt. Nur um im nächsten Moment wie die Statuen um sie herum zu erstarren und sich für die Dauer eines Blitzlichtgewitters in Pose zu werfen in den Kreationen der Studenten, aus Jeans- oder rotem Kunststoff gefertigt, manche Aufsehen erregend kurz, andere bodenlang.

Die Mode und die Glyptothek, endlich kommen sie einmal zusammen. Denn dass daraus überhaupt jemals etwas werden sollte, das hätte sich Florian Knauß noch vor einigen Jahren nicht träumen lassen. Doch wie der Leiter der Glyptothek und Staatlichen Antikensammlungen nun am Mikrofon steht und die herausgeputzen Gäste in Münchens ältestem Museum begrüßt, da ist er doch recht angetan vom Ergebnis der Zusammenarbeit. "Was die Studenten geschaffen haben, das hat sich Anregungen in der Antike gesucht, allerdings versuchten sie nicht, die Antike nachzubilden." Die Epoche inspiriert ja offenbar schon immer: In der Renaissance tat eine ganze Generation an Künstlern nichts anderes, als das Altertum wieder aufleben zu lassen - die Mode inbegriffen. Und selbst im Empire hätten sie sich an den alten Griechen orientiert, erläutert Ulrike Nägele. Die Leiterin des Studiengangs Modedesign an der AMD hat ihre Studenten langsam herangeführt an die Antike, über zwei Jahrgänge hinweg. Sie sollten verstehen, dass die Antike mehr zu bieten hat als wallende Kleider und meterweise Stoff. Die eine Studentengruppe orientierte sich bei ihren Entwürfen an den Silhouetten antiker Vasen oder Elementen griechischer Mythologie, die anderen lernten die raffinierten Falten zu verstehen. Oftmals gingen die Studenten mit mathematischer Präzision an ihre Aufgabe heran.

Die Auseinandersetzung mit den Gewändern hätte aber wohl niemals stattgefunden, wenn nicht Astrid Fendt, die Konservatorin der Glyptothek und Staatlichen Antikensammlung, vor gut anderthalb Jahren die Frage beschäftigt hätte, ob die Kleidung von damals in der Gegenwart noch relevant ist. Wie Kleidung in der Antike beschaffen war, da macht der Archäologin niemand was vor. Sie steht jetzt vor der Statue der Eirene, der Friedensgöttin, die einen Peplos trägt, also eine "Stoffröhre", die sich seinerzeit eine Frau aus der Oberschicht nach Belieben mit dem Gürtel raffte. Je reicher man war, desto mehr Lagen Stoff konnte man sich leisten, weiß die Archäologin. Desto vielfältiger fielen aber auch Muster und Farben einer Garderobe aus, auch wenn das anhand der blassen Marmorstatuen für den Laien schwer nachzuvollziehen ist. Fendt hatte der Akademie vorgeschlagen, antike Mode neu zu interpretieren. Nicht nur, weil sie das Thema spannend findet. Für die Glyptothek ist das auch ein Weg, jüngeres Publikum zu locken.

Der 21 Jahre alten Studentin Susanna Niklas jedenfalls fällt es inzwischen leicht, das alte Griechenland mit einem modernen Sommerkleid gedanklich zu verbinden. Und vielleicht tun es ihr bald viele Münchner gleich. Man darf das Experiment deshalb auch als Emanzipationsversuch verstehen: Weg vom Image des Elitären, das Glyptothek und Haute Couture zuweilen angedichtet wird. Hin zu eine Mode, die mehr kann, als sich an Trends zu berauschen.

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