Models in München:Schlanke Frauen, dicke Geschäfte

Louisa von Minckwitz ist Chefin der bekanntesten Model-Agentur Deutschlands. Ihr neuester Zugang heißt Jana Beller, die dieses Jahr erst zu Germany's Next Top Model gekürt wurde und danach Heidi Klums Agentur im Streit verließ.

Barbara Wopperer

Die erste Mutprobe wartet bereits im Treppenhaus. Für all die jungen Frauen, die hoffnungsfroh die Stufen zu den Räumen von Louisa-Models in Bogenhausen emporsteigen. Sie müssen dort, Stufe um Stufe, die eigene Wahrnehmung ihrer Schönheit mit den Realitäten des Mode-Business abgleichen. Und beim Anblick der Zeitschriften-Cover, die das Treppenhaus zieren, mag so manche doch ins Zweifeln kommen an der eigenen Tauglichkeit.

Louisa von Minckwitz

Louisa von Minckwitz in ihrem Büro.

(Foto: Florian Peljak)

Wer sich dennoch bis ins Büro von Louisa von Minckwitz, Chefin und Gründerin der Agentur, vorwagt, kann die eigene Schönheit aus allen Winkeln noch einmal überprüfen. Denn dort wimmelt es von Spiegelflächen - vom Schrank bis zur Hausbar. Die härteste Probe aber steht den Modelanwärterinnen dann noch bevor: die Beurteilung durch die Chefin selbst. "Ich habe einen Scannerblick", sagt diese von sich. Wie genau sie weiß, worauf sie dabei achten muss, das wiederum belegen die Zeitschriftencover, die sich auch im Büro zahlreich finden. Sie zeigen vor allem eine: Julia Stegner, die größte Erfolgsgeschichte der Münchner Traditionsagentur.

Als Louisa von Minckwitz 1999 die damals 14-Jährige auf dem Münchner Oktoberfest entdeckte, konnte sie bereits auf fast zwei Jahrzehnte Agenturgeschichte zurückblicken. Auch zuvor hatte sie schon bekannte Namen in ihrer Kartei. Erol Sander. Christiane Paul. Eva Padberg. Sie alle waren bei Louisa von Minckwitz unter Vertrag. Dennoch: Dass Louisa-Models heutzutage in der Öffentlichkeit als die erfolgreichste deutsche Model-Agentur gilt, hat vor allem mit Julia Stegners Entdeckung zu tun. Und damit, wie gut Minckwitz diese zu vermarkten wusste.

Kaum ein Bericht aus dem Business kommt ohne einen Kommentar der Model-Agentin aus. Louisa von Minckwitz hält sich dabei nicht mit Höflichkeiten auf. Sie zeichnet nicht weich. Und ihrem Blick aus schwarz umrandeten Augen scheint tatsächlich nichts zu entgehen. Wenn sie etwas besonders betonen will, beugt sie sich weit nach vorne, unterstreicht Sätze mit einer Bewegung ihrer sorgsam manikürten Hände. Um als Model eine Chance zu haben, erklärt sie zum Beispiel ohne große Umschweife, muss man klare Maßgaben erfüllen.

"Das ist so", sagt sie knapp. Wer zu klein oder zu groß ist, zu viel Busen oder zu gebärfreudige Hüften hat, sei eben nicht geeignet. Da gibt es für die Münchnerin gar keine Diskussion. Zwar ist sie persönlich kein Freund der Size-Zero-Bewegung, aber "in der Branche kann sich nur etwas verändern, wenn alle umdenken". Und so lange das nicht geschieht, wird sie auch weiterhin schmal gebaute Frauen auf der Straße ansprechen und nur solche ins Ausland schicken, die den dort vorherrschenden Standards genügen. "So eine internationale Karriere setzt auch voraus, dass das Mädchen sehr dünn ist. Über Kleidergröße 34 kann man da nichts machen."

Das Business ist hart

Minckwitz kann hart sein. Vor allem, wenn es um die Kriterien des Jobs geht. Kommen allerdings die persönlichen Aspekte zur Sprache, wird sie weich. Als Chefin einer Model-Agentur hat sie es häufig mit sehr jungen Mädchen zu tun, für die man zur "Psychologin, besten Freundin, zur Mutter wird". Wie hart das Business für die jungen Frauen sein kann und wie wichtig es ist, als Bezugsperson zur Verfügung zu stehen, das weiß Louisa von Minckwitz aus eigener Erfahrung. Bevor sie 1981 ihre Agentur gründete, hatte sie selbst als Model gearbeitet. "Die Erfahrung hilft, weil ich die Situation der Mädels kenne. Obwohl die Zeiten damals viel sanfter waren, habe ich mich manchmal sehr einsam gefühlt. Manche Kritik hat sich wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt."

Auch Minckwitz wurde auf der Straße entdeckt - nach wie vor ist dies die häufigste Art, ins Model-Geschäft zu kommen. Zwischen den Shootings lernte sie für ihr Studium der Kommunikationswissenschaften. "Das ging damals gut nebenbei. Wenn ich das heute einem Model erzähle, die sagt: 'Louisa, du hast doch einen an der Klatsche'." So manches lief in dieser Zeit noch anders in der Modebranche, weniger schnelllebig, weniger global. "Damals war es ganz normal, dass du mal zwei Tage herumsaßt, ohne dass mit dir geshootet wurde. Man musste auch häufig Haare und Make-Up selbst machen."

Minckwitz achtet darauf, ihre Lebensgeschichte ohne klare Eckdaten zu erzählen, aus denen sich ein Alter errechnen ließe. Ihr Lebenslauf klingt in ihrer Schilderung, als hätte er sich im Laufe einer Woche abgespielt. "Ich war Model, habe mein Abitur fertig gemacht, war dann auch schon gleich schwanger und fing mit der Agentur an. Also bei mir ging das alles zack-bumm." Ebenso "zack-bumm" läuft heutzutage das Geschäft: Wofür man früher drei Stunden am Telefon hing, wird jetzt schnell eine E-Mail geschrieben, die Konkurrenz ist nicht mehr lokal positioniert, und Models der Agentur sitzen über die ganze Welt verteilt. "Heute macht ein Mädel 28, 30 Aufnahmen am Tag. Früher waren drei Aufnahmen schon viel."

Dieses gemächliche Tempo war für Minckwitz offenbar nie genug. So zog sie drei Kinder und zwei Agenturen gleichzeitig auf, auch wenn das bedeutete, dass sie bis nachts um zwei im Büro saß, während Gleichaltrige tanzen gingen. Auch heute noch, wo sie längst nicht mehr so viel arbeitet wie früher, vergeht kaum ein Urlaubstag ohne Anruf in der Agentur.

Der neueste Zugang: Jana Beller

"Ich war immer sehr ambitioniert", sagt die Münchnerin über sich selbst. Und: "Man muss robust sein und ein Ziel vor Augen haben, das man nie aufgeben darf, auch nicht bei Rückschlägen." Für die erfolgreiche Überwindung von Stolpersteinen ist Louisa-Models tatsächlich ein leuchtendes Beispiel: Selbst eine Klage diverser Models wegen angeblich vorenthaltener Honorare hat dem positiven Image der Firma in den Medien wenig Abbruch getan. Das sagt einiges über das Vermarktungstalent der Kommunikationswissenschaftlerin aus.

Ein Talent, das sich unlängst einmal mehr zeigte, als Minckwitz ihre Agentur ins Gespräch brachte, weil sie die jüngste Gewinnerin von "Germanys Next Topmodel", Jana Beller, unter Vertrag nahm. Keine reine PR-Nummer, das merkt man, wenn sie über die 20-Jährige spricht, die ihr "bereits im Fernsehen sehr sympathisch war". Nicht zuletzt, weil sie auch hier stets klare Worte findet. "Wir möchten, dass Jana wirklich von der Pike auf anfängt. Wenn Jana nach Mailand geht, weiß sie, dass ihr die Karriere dort nicht zu Füßen liegt. Ob sie Germanys Next Topmodel ist, interessiert da niemanden."

Heidi Klums Show bilde nicht die Realitäten des Model-Alltages ab. Seit Start der Sendung kommen zu Louisa-Models immer wieder Praktikanten, die schnell wieder weg wollen, "wenn sie merken, wie nüchtern dieser Job ist. Agenturarbeit hat nicht viel Glanz und Glamour, wir feiern hier nicht jeden Abend eine Party". Gut verdienen lässt es sich im Geschäft mit der Schönheit jedoch allemal. Pro Auftrag ihrer Models kassiert die Agentur 20 bis 30 Prozent der Gage als Provision. Dennoch geht es Minckwitz nicht nur ums Geld, man spürt auch ehrliche Begeisterung für ihre Arbeit: "Mein Job ist mir noch keine Minute langweilig gewesen. Das können, glaube ich, nicht viele Leute sagen."

Wer weiß, was aus Louisa von Minckwitz, der schlanken Blondine, geworden wäre, hätte sie nicht diesen Weg eingeschlagen. Als Schülerin absolvierte sie einmal ein Praktikum in einer Bank - und langweilte sich so sehr, dass sie immer wieder zum Süßigkeitenautomaten lief. "Ich habe bestimmt fünf oder sechs Kilo zugenommen in diesen sechs Wochen. Da dachte ich mir damals schon, mein Gott, wenn du mal so einen Job hast, endest du als Tonne." Nicht auszudenkenbei so vielen Spiegeln im Büro.

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