Obdachlose für den Catwalk
Patrick Mohr sagt, ihm fehlten die Berge. "Die Natur, ich brauch' das!" Dass er nicht aussieht wie ein Naturbursche, ist hoffnungslos untertrieben und noch einer der unspektakulärsten Brüche in seinem 28 Jahre jungen Leben. Das Glatte, Gefällige, es scheint ihm nicht zu liegen. Und sollte Patrick Mohr in ein paar Jahren tatsächlich so hoch am Modehimmel stehen, wie Branchenkreise zurzeit orakeln, wird er als Außenseiter in den goldenen Käfig einziehen.
Baaderstraße 7, Rückgebäude, Besuch bei einer der großen deutschen Modedesignhoffnungen. Im ersten Stock des heruntergekommenen Mietshauses lehnt Mohr an seinem Zuschneidetisch und erzählt, wie auf einmal alles rasend schnell ging.
Er ist groß, dünn, bei den Heimatbesuchen im Chiemgau lässt er offenbar wenig Alpensonne an die blasse Haut, und er schaut sein Gegenüber immer ein wenig ungläubig an durch eulengroße Hornbrillengläser. Man darf sich natürlich nicht täuschen lassen: Die Brille ist extrem angesagt, der fransige Seehundschnurrbart fernfahrertauglich, die Fingernägel sind feminin lackiert - Patrick Mohr gibt den widersprüchlichen Modegrübler, und er macht das so gut, dass es schwerfällt zu unterscheiden zwischen Pose und echtem Einzelgängertum.
Zu Hause in Rosenheim ist er jedenfalls früh aufgefallen wegen seiner schrägen Klamotten, und als er verkündet, Model werden zu wollen, erklären sie ihn wieder mal zum Spinner. Er schafft es trotzdem, vier Jahre als Mannequin in Mailand, dann schreibt er sich in München an der Modeschule Esmod ein und legt die beste Abschlusskollektion seines Jahrgangs hin.
Nach zehn Monaten in der Kreativschmiede des dänischen Designers Henrik Vibskov kommt der Punkt, von dem an alles schnell geht. Patrick Mohr entwirft im Frühsommer 2009 in München einige ausgefallene T-Shirts. Die Szene wird aufmerksam. Vogue.com bläst zum Sturm auf die Oberteile in hartem Schwarz-Weiß-Kontrast. Und bei der Berliner Modewoche in diesem Juli reicht dann die Idee, Obdachlose über den Laufsteg zu schicken, für mächtiges Twittern in Fachkreisen.
Jetzt wartet Patrick Mohr in aller Ruhe die Auslieferung seiner ersten Denim-Serie ab. International, versteht sich. Den strengen Jerseykreationen seiner ersten Kollektion, den beuteligen Beinkleidern und schwarzen Capes, haftet etwas Düsteres an. Dafür sind die Namen für die engen und etwas weiteren Jeans witzig. Karotte und Schnittlauch. Man wird von ihm hören.
(Jeans um 90 Euro, bei Spielbartragbar, Baaderstraße 7, und Superrandom, Lothringer Straße 1)
Text: Anne Goebel Foto: Catherina Hess