Mode aus München:Clean und clever

Gut gekleidet, aber nicht over the top: Frauenmode von holyGhost gibt es bislang nur in kleineren Boutiquen. Seit 2012 sind die Designerinnen Jelena Hofmann und Sedina Halilovic regelmäßig bei der Fashion Week in Berlin vertreten - nun wollen sie endlich richtig Geld verdienen mit ihren Stücken

Von Vanessa Kanz

Weiße Stuhlsessel, weiße Regale, weiße Wände. Wenig Dekoration. Die Raumausstattung ihres Designerbüros passt zum Stil ihrer Mode. Clean, zeitlos, elegant. Jelena Hofmann, 32, und Sedina Halilovic, 33, gründeten im Jahr 2010 zusammen mit einer weiteren Freundin das Modelabel "holyGhost". Nach sechs Jahren sitzen die beiden nun am Konferenztisch im eigenen Großraumbüro, in der Nähe vom Rosenheimer Platz. Hier herrscht Geradlinigkeit - und überwiegend die Farbe Weiß. "Es war nicht immer so, mit unserem eigenen Büro", sagt Jelena Hofmann.

Sie haben klein angefangen, auf dem Dachboden ihrer Eltern. Schon allein aus finanzieller Sicht sei in den Anfangsjahren ein großes Büro undenkbar gewesen. Hofmann studierte an der LMU München Betriebswirtschaftslehre. Halilovic machte ihr Diplom an der Akademie für Mode und Design. Danach entschieden sie sich gemeinsam für die Selbständigkeit. Die Idee, zusammen etwas mit Mode zu machen, die gab es schon immer", sagt Halilovic, "dass es ein Modelabel wird, stand allerdings nicht von Anfang an fest."

Die beiden Frauen sind noch jung und haben bereits weit im Lebensplan. Sowohl in persönlicher als auch in beruflicher Hinsicht. Hofmann und Halilovic sind beide Mütter. Neben der eigenen Firma bringen sie also auch die Familienorganisation unter: Aufstehen, Schminken, Frühstück machen, Sohn zum Kindergarten bringen und ins Büro - so sieht der typische Morgen der Designerinnen aus, freilich nicht in Jogginghose. Von morgens bis abends kleiden sie sich in Stücke von holyGhost. "Da wir als Geschäftsführerinnen unser Label repräsentieren, ist es ganz klar, dass wir unsere entworfene Kleidung auch selbst tragen."

Hofmann trägt eine Denim-Schlaghose, als Farbakzent eine gelbe Bluse und darüber einen grauen Oversize-Cardigan. Sie ist ungeschminkt und hat ihre braunen Haare zum Dutt hochgebunden. Pragmatisch und dennoch stilvoll. Halilovic entspricht mit ihrem wadenlangen Wickelrock in nude rosé, ihrem schwarzen Strickpullover und den Fransenboots ganz dem Bild einer modebewussten, großstädtischen Designerin. Die Zielgruppe von holyGhost sind Frauen, die sich gut kleiden wollen und es teilweise auch müssen. So wie Hofmann und Halilovic. "Es soll aber nicht over the top sein, sondern auch in den Alltag passen", sagen sie.

Mode aus München: Ihre Mode muss in den Alltag passen, sagen Selena Hofmann und Sedina Halilovic.

Ihre Mode muss in den Alltag passen, sagen Selena Hofmann und Sedina Halilovic.

(Foto: Catherina Hess)

Dieser Wille und der Traum, etwas Eigenes aufzuziehen, hat sie nie losgelassen. Das beweist das Handgelenk von Sedina Halilovic. Bereits vor der Unternehmensgründung, vor zehn Jahren, ließ sie sich den Schriftzug "holyGhost" unter ihre Haut stechen. Wie ein Mantra. Ein Los-spruch für jeden Morgen.

Und es funktionierte: 2012 debütierte holyGhost mit seiner Frühjahr-/Sommerkollektion im Zelt der Fashion Week in Berlin. "Im Jahr 2013 gab es einen positives Turnaround in vielerlei Hinsicht", sagt Hofmann, "wir haben uns eingespielt, hatten eine Lernkurve." Im gleichen Jahr verkauften sie Anteile und holten sich Kapitalgeber ins Boot, die Professionalisierung schritt weiter voran. Bei rund 25 Händlern in Österreich, Deutschland und der Schweiz kann man ihre Stücke kaufen. Hauptsächlich in kleineren Boutiquen.

Die Freundinnen verbindet nicht nur das Label. Beide haben osteuropäische Wurzeln. "Ich lebe allerdings schon immer in München, während Jelena in Belgrad geboren ist", sagt Halilovic. Vor 16 Jahren zog Hofmann, geborene Radovanovic, nach München. Die beiden lernten sich in der Schule kennen. Funktioniert das, die beste Freundin als Geschäftspartnerin zu haben? Beide bejahen. Allerdings gebe es auch Differenzen. "Vielleicht ist es leichter, aber in vielerlei Hinsicht auch schwerer, weil man sich dann gewisse Sachen nicht traut zu sagen oder alles persönlich nimmt, was eigentlich nicht persönlich sein sollte. Weil es ein Geschäft ist", sagt Halilovic. Es berge aber durchaus Vorteile, da Spannungen in dieser Branche im Endeffekt immer nach vorne bringen. Zudem sei es schön, sich so nah zu sein, und sich auf unterschiedlichen Ebenen austauschen zu können, ergänzt Hofmann.

Nah an der Realität und kritisch sind Hofmann und Halilovic besonders bei der Selbsteinschätzung. Sie verklären nichts. "Obwohl es uns schon sechs Jahre gibt, stehen wir doch noch irgendwie am Anfang", sagt Hofmann. Die Winterkollektionen seien beispielsweise immer stärker als die Sommerkollektionen. Von der Konsequenz her und der Aussage. "Das darf man ja auch mal ruhig so sagen", sagt sie. Diese Beständigkeit im Winter wollen sie nun auf den Sommer übertragen; sich abschirmen von Ablenkungen und persönlichen Vorlieben. Es gilt, professionell zu sein, der eigenen Linie treu zu bleiben.

"Mode ist ein Prozess. Es entsteht etwas Schönes über einen langen Zeitraum", sagt Jelena Hofmann weiter. Nach einer kurzen Pause sagt sie lächelnd: "Das könnte man jetzt auch über Autoreifen sagen. Aber das ist vielleicht nicht ganz so sexy."

Für Hofmann und Halilovic sei diese Produktentwicklung von Beginn an mit Freude verbunden. Mehr Freude und Lässigkeit, weniger Strenge. Das fehle der Modeszene. Und sie stellen sich auf die Seite der Designer Dimitri Panagiotopoulos und Alexander Wang, die ihre Kollektionen nicht mehr betiteln wollen. Storytelling passiere drumherum. Mode soll, ihrer Meinungen nach, einfach nur Mode sein. Was der Designer ausdrücken will? Diese Fragen und Interpretationen seien unsinnig. "Vielleicht wollte er einfach mal gar nichts damit sagen", sagt Halilovic.

Holy Ghost Show - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Spring/Summer 2016

Das Model trägt ein Stück aus der Sommerkollektion von holyGhost.

(Foto: getty)

Für die Winterkollektion 2015/2016 haben sie sich deshalb den Dadaismus als Vorbild genommen. Nicht als Themengeber, sondern als Inspiration. Die Dadaisten treten für die Freiheit der Kunst ein, Hofmann und Halilovic für die Freiheit der Mode. Ohne strenge Konzepte, die im Vornherein bis aufs Äußerste durchdacht sein müssen. Weg von dieser Ernsthaftigkeit. Denn Mode soll Spaß machen. Klassischer Strick kann also gut mit lässigem Schriftdruck funktionieren. Die Designerinnen kombinieren maskuline Formen und Oversized-Schnitte mit femininen, fließenden Elementen.

Dass sie nicht zu verklemmt und engstirnig an die Arbeit herangehen, beweist auch ihr Ritual immer vor der Berliner Fashion Week. "Wir gehen meistens einen Abend vor der Schau aus und haben dann am nächsten Tag einen kleinen Hangover", sagt Jelena Hofmann und grinst, "du hast dann schon so mit deinem Körper zu kämpfen, dass dir der Rest entspannend leicht fällt." Der Erfolg spricht ganz klar für die Methode. Und am Ende des Tages sind sie die Professionalität in Person.

Die nächsten Schritte von Jelena Hofmann und Sedina Halilovic klingen ganz unromantisch: kommerzialisieren, verkaufen, Geld verdienen. Raus mit den Stücken. Raus in den internationalen Markt. Das Büro für so ein Business haben sie schon.

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