MMA-Veranstaltung:Neonazis dürfen bei Kampfsport-Event nicht auftreten

Lesezeit: 2 min

  • Der Veranstalter eines "Mixed Martial Arts"-Kampfes in München hat zwei szene-bekannte Neonazis von seiner "Fightcard" gestrichen.
  • Ob der Münchner Veranstalter Aggrelin nichts von den Verbindungen der Boxer in die rechte Szene wusste, ist unklar.
  • Die Veranstalter der Kämpfe sollten solchen Leuten keine Plattform bieten, kritisiert der Münchner Extremismusexperte Damian Groten.

Von Thomas Schmidt

Der Name klingt harmlos, hinter der Buchstabenkombination MMA verbirgt sich aber eine der brutalsten Kampfsportarten der Welt. Die Abkürzung steht für "Mixed Martial Arts", die Kontrahenten prügeln und treten in Käfigen aufeinander ein, bis einer aufgibt oder k. o. geht. Im Gegensatz zu anderen Vollkontaktsportarten dürfen MMA-Kämpfer ihren Gegner auch dann noch schlagen, treten oder würgen, wenn er längst am Boden liegt. Auch in München finden regelmäßig solche Kämpfe statt. Am kommenden Sonntag sollten im Backstage zwei szene-bekannte Neonazis in den Käfig steigen. Auf öffentlichen Druck hin hat der Veranstalter beide wieder von seiner "Fightcard" gestrichen. Der Vorfall aber zeigt, wie Rechte die extreme Kampfsportart als Bühne nutzen.

Eine einfache Internetsuche hätte ausgereicht, um zu erfahren, dass Roman P. ein Hooligan und Neonazi aus Basel ist. Der muskelbepackte und tätowierte Kämpfer trat bereits zweimal in Deutschland beim rechtsextremen "Kampf der Nibelungen" an. Schweizer Medien berichteten Ende 2017 über den "Nazi-Boxer". Daraufhin strich ihn das Kampfsportevent "Swiss Las Vegas Evolution" von der Teilnehmerliste. Der Münchner Veranstalter "Aggrelin" lud ihn nun trotzdem ins Backstage ein.

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Auf der Aggrelin-Fightcard stand zunächst auch Kevin G. Bei ihm handelt es sich ebenfalls um "einen Sportler mit guten Verbindungen in der extrem rechten Kampfsportszene", erklärt Damian Groten von der Münchner Fachinformationsstelle Rechtsextremismus. Kevin G. pflege zum Beispiel Beziehungen zu Denis Nikitin, dem Gründer des Neonazi-Kampfsportnetzwerks "White Rex".

Ob der Münchner Veranstalter Aggrelin nichts von diesen Verbindungen wusste, oder ob er bei Roman P. und Kevin G. das rechte Auge zudrückte, bleibt unklar. Eine Anfrage der SZ vom Dienstag ließ Aggrelin unbeantwortet. Erst als die Kampagne "Runter von der Matte - kein Handshake mit Nazis" im Internet den Veranstalter für die Auswahl seiner Kämpfer kritisierte, wurde Kevin G. aus der Teilnehmerliste getilgt. Nachdem anschließend die SZ Aggrelin kontaktierte, verschwand auch der Name Roman P. stillschweigend von der Internetseite.

"Verbindungen von Aggrelin in die extrem rechte Szene sind uns nach aktuellem Stand nicht bekannt", sagt Groten. "Allerdings trat bei einem vergangenen Turnier ein Kämpfer mit Ausrüstung einer extrem rechten Marke an." Immer wieder nutzen Rechtsextreme und Neonazis die MMA-Szene für ihre Zwecke. Die Veranstalter der Kämpfe sollten solchen Leuten keine Plattform bieten, kritisiert Groten. "Unter dem Deckmantel des Sports erhalten Neonazis die Möglichkeit, ihre Positionen zu verbreiten und als normal darzustellen." Auch in München gebe es rechte Aktivisten, die Kampfsportarten wie MMA trainieren und auf Turnieren in Erscheinung treten.

Grundsätzlich ist der MMA-Sport, wie alle anderen kommerziellen Sportarten auch, unpolitisch. Der weltweit größte Veranstalter der organisierten Prügelorgien stammt aus Las Vegas. Dessen Käfig-Kämpfe werden vom US-Sender Fox Sports und via Pay-per-View übertragen und von Millionen vom Sofa aus verfolgt.

Doch MMA ist eben auch bei Neonazis beliebt. Bayerische Rechtsextremisten vernetzen sich auf internationalen Turnieren mit Nazis aus anderen Ländern, erklärt Markus Schäfert vom Landesamt für Verfassungsschutz. Kampfsport werde mit Werten wie Härte, Wehrhaftigkeit und Stärke verbunden, stehe symbolisch für den Kampf gegen das politische System und für die "Überlegenheit des rassisch Stärkeren", sagt Schäfert. Die neonazistische Kleinpartei "Der III. Weg" beispielsweise fordert "Identitäre und Volkstreue" offen dazu auf, dem "Ruf zur Wehrhaftigkeit" zu folgen und Kampfsport zu betreiben, um die "unter Migranten (...) leidende Jugend" zu schützen.

Verfassungsschützer Schäfert will nicht eine ganze Sportart verdammen. Eine "generelle Instrumentalisierung von Kampfsportvereinen zur rechtsextremistischen Ideologieverbreitung ist nicht erkennbar", sagt er. Aber dass Rechtsextreme und Neonazis die Nähe zur MMA-Szene suchen, ist kein Geheimnis und sollte erst recht Veranstaltern der Käfig-Kämpfe bewusst sein. "Leider scheint das Problembewusstsein für rechte Ideologien innerhalb der MMA-Szene oft nicht besonders hoch zu sein", kritisiert der Münchner Extremismusexperte Groten. Das Nichthinschauen führe dazu, dass Neonazis die Kämpfe für ihre Zwecke nutzen können.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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