Mitten in München:Mich fragt halt keiner

Unsereins hat wenig Einfluss, weder auf Wahlergebnisse noch aufs Fernsehprogramm. Interessiert unsere Meinung denn gar keinen? Vielleicht doch

Von Berthold Neff

Natürlich hat man als mittlerweile volljähriger Bürger schon mal die Gelegenheit, in die Geschicke der Welt, seines Landes oder wenigstens die seiner Kommune einzugreifen. Man macht sich dann also am Wahlsonntag auf ins Stimmlokal, um anschließend schon bei den Prognosen bedauernd festzustellen, dass die Parteien, die man früher präferierte, weiter abstürzen. Das verstärkt den Eindruck, dass man als Einzelner wenig tun kann, um den Lauf der Welt entscheidend zu verändern.

Es ist dennoch wichtig, die Flinte nicht ins Korn zu werfen. Schön wäre es zum Beispiel, wenn es einem endlich gelänge, das Fernsehprogramm von all dem Mist, den niemand sehen sollte, zu befreien. Leider hatte man das Pech, von der Gesellschaft für Konsumforschung noch nicht in jenen erlauchten Kreis von 5000 Haushalten berufen zu werden, anhand deren Fernsehkonsum die Einschaltquoten errechnet werden.

Es ist also vollkommen für die Katz, wenn unsereins panikartig den Sender wechselt, sobald "Immer wieder sonntags" Stefan Mross auftaucht, von Hansi Hinterseer, Maybrit Illner, Christine Neubauer oder Sigmund Gottlieb ganz zu schweigen. Von diesem deutlichen Fingerzeig nimmt niemand Notiz, diese Könner der Flimmerkiste werden uns auf immer und ewig erhalten bleiben. Es wird die Bosse von ARD und ZDF auch niemand daran hindern können, den Countdown vor irgendwelchen Gruppenspielen der Champions League so auszudehnen, dass er von der Länge her mit dem eigentlichen Kick locker mithalten kann.

Gibt es denn wirklich niemanden, der sich für unsere Meinung interessiert? Doch! Es sind die netten Menschen, die derzeit für die Fahrgast-Befragungen unterwegs sind. Man schaut also, sobald sie den Wagen betreten, betont freundlich und hofft inständig: Frag mich bitte! Er tut's tatsächlich. Will wissen, wo man eingestiegen ist und wohin einen der Weg heute führt. Was man für ein Ticket benutzt und ob man Halter eines Autos ist. Solche Dinge halt, Tatsachen eben. Was man von der soeben beschlossenen MVV-Tariferhöhung von 2,9 Prozent hält, wird leider nicht abgefragt - obwohl die passende Meinung dazu wohl jeder parat hätte.

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