Mitten in Obersendling:Lust auf Ohnmacht?

Lust, die Geschicke der Stadt mitzugestalten?

Von Jürgen Wolfram

Wer an der Schwelle zum politischen Engagement steht, möge sich vor dem nächsten Schritt dringend die Frage stellen, welche Fähigkeiten für das Mitmischen in öffentlichen Belangen er oder sie mitbringt. Unverzichtbar dabei sein sollten: Leidensfähigkeit und Frustresistenz. Denn bei weitem nicht jedem flammenden Bemühen ist ein adäquater Erfolg beschieden. Alte Hasen des Metiers zitieren gern den Satz vom Bohren dicker Bretter. Geduldsproben verspricht besonders die Mitwirkung im Bezirksausschuss, einem Gremium, das kaum Entscheidungsbefugnisse hat. Sich hier einzubringen, führt nicht selten zu Ernüchterung. Deren Gipfel ist erreicht, wenn längst Fakten geschaffen worden sind, während die Stadtteilpolitiker noch über Pläne, Anträge und Modalitäten debattieren.

Beispiele für solche leer laufenden, mitunter grotesken Rituale haben sich zuletzt im Münchner Südwesten gehäuft. Dort wehren sich die Stadtteilvertreter gegen alles, was auf Rotlicht, Glückspiel und Artverwandtes hindeutet. Doch machen die Lokalpolitiker wieder und wieder eine verstörende Erfahrung: Noch während sie um Formulierungen ringen, die ihre Ablehnung unerwünschter Einrichtungen plausibel begründen, rotieren schon die Geldspielautomaten. Oder, ganz aktuell, es flackern an der Meglingerstraße in Obersendling die bunten Lichter eines Bordells auf, keineswegs des ersten in der Gegend. Bei Helligkeit und Dunkelheit erstrahlt die gleiche Botschaft: Open. Eröffnet gegen den Willen des Stadtteilgremiums.

Der jüngste Fall gescheiterter Intervention mutet delikat an; die Nutzungsänderung in dem Gewerbegebiet ist gewissermaßen doppelt unerwünscht gewesen. Denn im betreffenden Gebäude residierte vor der Umwandlung zum Freudenhaus ein Handwerksbetrieb. Der "Massierung" halbseidener Etablissements gelte es, einen Riegel vorzuschieben, beschied der Bezirksausschuss dem Antragsteller. Doch der hatte längst bei städtischen Behörden erfolgreich antichambriert. Die Anhörung der Bezirksvertretung: eine Farce. Lust, die Geschicke der Stadt mitzugestalten? Die nächste Kommunalwahl ist 2020.

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