Mitten in Obermenzing:Magische Ver-Wicklungen

Manchen Ort behält man im Herzen ob intensiver persönlicher Erinnerungen - auch wenn er in keinem Reiseführer zu finden ist

Von Nicole Graner

Der Arm der zierlichen Bronzefigur glänzt. Vom vielen Reiben. Auch die Brust von Julia Capulet ist goldfarben. Liebende berühren sie - in der Hoffnung, dass ihre Liebe ewig halten möge. Und Singles mit dem sehnlichsten Wunsch, die Liebe ihres Lebens möge ihnen begegnen. Skulptur und Glücksort am Alten Rathaus haben etwas Magisches. Von solchen Orten gibt es einige in München. Güldene Nasenspitzen haben auch die Masquerons unter den Bayerischen Löwen, die vor der Residenz Wache halten. So oft werden sie angestupst, gestreichelt. Glück sollen sie bringen, Klugheit und Weisheit.

Und dann gibt es magische Orte, die in keinem Stadtführer stehen. Weil sie zum Beispiel einfach nur persönliche, glückliche Erinnerungen wachrufen und damit zu Plätzen werden, die man im Herzen behält. So ein Platz ist zum Beispiel die Blutenburg in Obermenzing: das schöne Ambiente rund um die Kapelle, ein Kleinod der bayerischen Spätgotik, und um den kleinen See. Wenn die Sonne scheint, leiser Gesang aus der Kapelle zu hören ist, ist es wunderbar, auf der kleinen Bank an der Hauswand zu sitzen, den Spatzen zuzusehen, einem Hochzeitspaar mit seinen Gästen. Und es ist wunderbar, in die kleine Schlossschänke einzukehren.

Magisch wird es dann, wenn der "Ober", der die Getränke bringt, eine außergewöhnliche Erscheinung ist. Ein Sikh (vermutlich!) aus Indien, mit fein gebundenem, leuchtendem Turban. Dazu die farblich abgestimmte Krawatte. Und ein großer Kugelring. Ein schöner Mann, sehr freundlich, sehr hilfsbereit. Ein Mensch, der jedem Respekt schenkt, ihn aber auch durch seine Bewegungen, seine Art einfordert. Ihn nach seinem Namen zu fragen, traut man sich gar nicht. Aber nach der Kraft des Turbans. Unter ihm verstecken sich lange, lange Haare. Mit täglicher Hingabe werden sie unter dem ebenso liebevoll gebundenen Turban verborgen. Natürlich trägt der Mann auch Bart. Und gesteht: "Die Barthaare reichen mir bis zum Bauch." Wie das geht? Sie werden eingerollt und mit einem kunstvollen Trick im Bart verankert. Kurz lächelt er. Wünscht der Fragenden viel Glück für das Leben. Und ist wieder Respektsperson. Eben ein bisschen Magie inmitten bayerischer Idylle.

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