Mitten in Neuperlach:Kafka und die Dialog-Displays

Die blinkenden Schilder mit Lob und Tadel für Autofahrer dürfen nur in Tempo 30-Zonen aufgestellt werden. Das verursacht Verwirrung

Kolumne Von Johannes Korsche

Jemand musste Thomas K.s Idee verleumdet haben, denn ohne dass er sich etwas Böses gedacht hätte, bekam er eines Morgens Post vom Kreisverwaltungsreferat (KVR)." So oder so ähnlich hätte Franz Kafka vielleicht die Geschichte von den Dialog-Displays in Perlach und Ramersdorf begonnen. Dass es ein Stoff wäre, der dem Schriftsteller gefallen hätte, ist sehr wahrscheinlich. Ihm, der sich in seinem Werk so intensiv damit beschäftigte, was passiert, wenn ein bürokratischer Apparat auf ein Leben prallt, das in der Folge zersplittert. Ganz so schlimm ist es im Münchner Osten wohl nicht. Kafkaeske Züge trägt das Ganze aber schon. Alleine schon deswegen, weil passenderweise die Neuperlacher Kafkastraße eine Rolle übernimmt.

Aber von vorne: Thomas K. - anders als bei Josef K. in Kafkas "Prozess" ist sein Nachname bekannt - heißt ausgeschrieben Thomas Kauer (CSU) und ist Vorsitzender des Bezirksausschusses. Mit seinen Kollegen sollte er Standorte für Dialog-Displays im Viertel vorschlagen. Für jene Displays also, die entmenschlicht kalt und grell blinkend mit Lob und Tadel über brave und böse Autofahrer urteilen, was ja irgendwie auch sehr "kafka" ist, wenn man darüber nachdenkt. Diese Displays dürfen - noch so eine undurchschaubare Regelung - nur an Orten aufgestellt werden, wo bereits Tempo 30 vorgeschrieben ist. Dementsprechend schlugen die Lokalpolitiker Bereiche der Weidener Straße, der Hofangerstraße, Führichstraße, Therese-Giehse-Allee und Kafkastraße vor.

Beim Lesen des letzten Straßennamens muss zumindest unterbewusst irgendeine Kafka-Synapse im Kopf des Sachbearbeiters reagiert haben. "Die Weidener Straße, die Hofangerstraße sowie die Therese-Giehse-Allee liegen nach unseren Unterlagen in Tempo-50-Bereichen", antwortete das KVR. Doch bevor die Geschichte weitergeht, wie sie Kafka wohl erdacht hätte - drakonisches Gerichtsurteil, Hinrichtung, irgendetwas Tragisches eben - probieren es Thomas K. und seine Kollegen mit dem Hinweis an die Verwaltung, sie mögen doch ihre Akten aktualisieren. Vielleicht wird auf diese Weise aus dem Kafka-Protagonisten wieder ein BA-Vorsitzender. Es wäre ihm zu wünschen.

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