Mitten in Neuhausen:Entzückt vom Blues

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München kollektiv verreist? Von wegen. Das Bluesfest bringt den Rotkreuzplatz an den Rand des Fassungsvermögens

Von Jürgen Wolfram

Mitten im August ist mitten in den Ferien. Da sind die Münchner bekanntlich kollektiv verreist, oder? Wer in den vergangenen Tagen eines der zahlreichen Stadtteilfeste besucht hat, weiß es besser: Locken im vertrauten Quartier Bier und Bühnenshow, strömen die Leute zusammen, als hätten sie sich verschworen, den Urlaub vor der eigenen Haustür zu verbringen. Wobei der bisher am meisten hitverdächtige Brennpunkt im Westen der Stadt gelegen haben dürfte. Dort, in Neuhausen, zauberte ein organisatorisch begnadetes Trio mit ausgefallener Benennung (Musikkneipe "Hide Out"/Städtisches Kulturreferat/Bezirksausschuss 9) zum wiederholten Mal ein Bluesfest auf die Freiluftbühne, das Stadtteilbewohner und sogar Konkurrenzveranstalter in Entzücken versetzte. Feiner Sound, freier Eintritt. Der Pflasterstrand des Rotkreuzplatzes am Rande des Fassungsvermögens, die Eisdielen drumherum nahezu leergeschleckt. Und die meisten Nachbarn waren ebenfalls da.

Mit der Zahl der Festival-Besucher nimmt deren Durchschnittsalter von Jahr zu Jahr erkennbar zu. Nichts Schöneres für den entspannten Frührentner, als unter Münchens August-Sonne das Woodstock-Feeling nostalgisch aufzuwärmen. Dass ihm dabei der Blutdruck absacken könnte, ist nicht zu befürchten, wenn Claudia Cave und ihre Gruppe losrocken oder die Downtown Bluesband die musikalische Reise in die Südstaaten antritt. Zusammen mit San2 & His Soulpatrol, die einem extrem unverdienten Platzregen widerstehen mussten, geriet das Spektakel zum umjubelten Beitrag an einen mit Sicherheit unvergesslichen Sommer.

Ein Gutteil der Konzertbesucher ist mit dem Bus zum Neuhauser Bluesfest angereist. Ihnen war zum Schluss eindeutig nach einem Sonderapplaus für die Fahrer der Linien 63 und 53 zumute. Denn der Slalom, den diese im Bereich des unfertigen Luise-Kiesselbach-Platzes absolvieren, kann es mit den Blues-Girlanden der versierten Downtown-Gitarristen locker aufnehmen. Okay, der Vergleich mag nicht so stimmig klingen wie eine Rockhymne von Joe Cocker. Aber unvergleichlich ist auch das Bluesfest auf dem Rotkreuzplatz. Hoffentlich bleibt es noch lange ein Sommerhit.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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