Mitten in München:Licht ins Dunkel

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Warum eine Führung durch die Herrensauna der "Deutschen Eiche" gerade bei Frauen beliebt ist und mittlerweile unter der Rubrik "Erwachsenenbildung" gebucht wird

Von Claudia Wessel

Was mag in den Köpfen der Damen vor sich gehen beim Anblick der Milchglasscheiben, der Hinterzimmerchen mit Kondomvorrat an jeder Ecke und dem Darkroom, der bei der Führung natürlich erleuchtet ist? Vielleicht: "Schwul müsste man sein, dann hätte man ein unverkrampftes Verhältnis zu Liebe und Treue." Oder: "Männer sind doch einfach unglaublich." Oder auch: "Interessante Architektur, romantische Farbgebung", "ansprechende Liegewiesen", "liebevoll gestaltete Räumlichkeiten"?

Fest steht jedenfalls, die Führungen der Volkshochschule durch das "bunte Traditionshaus" Deutsche Eiche im Gärtnerplatzviertel sind heiß begehrt. Allein im Januar hat Inhaber Dietmar Holzapfel unzählige Termine zu absolvieren, bei denen er zweieinhalb Stunden lang alles Wissenswerte erzählen und im Übrigen das Lied "Warn Sie schon mal in mich verliebt" singen wird. Sehr beliebt sind die Führungen bei Frauen. Kein Wunder, schließlich dürfen sie normalerweise nicht in die Sauna im Keller des Gasthauses mit Hotel an der Reichenbachstraße.

Dieser Einblick jedenfalls wird in der Vorankündigung der Führung herausgestellt. "Als Höhepunkt wird uns dann einer der Eigentümer der Deutschen Eiche durch eine der größten (1500 Quadratmeter) und attraktivsten Herrensaunen der Welt führen", wirbt etwa die VHS Haar. Die VHS Taufkirchen spricht von der "legendären Herrensauna", die "größte und schönste Herrensauna der Welt" preist die VHS München an. Weitere Einladende zu dieser Führung sind die Evangelische Akademie, das DGB-Bildungswerk, das Institut Bavaricum, Stattreisen, der Weiße Stadtvogel - gebucht hat auch eine Abordnung der Freien Wähler aus dem Landtag.

Natürlich, auch die Fassbinder-Zeit, der Besuch von Freddy Mercury und überhaupt die Entwicklung vom Arbeiter- und Gewerbeviertel in einen "Platz für besondere Lebensformen", "Lesben, Schwule und viele Künstler", werden behandelt. Dass aber ein Rundgang durch eine Männersauna inzwischen zur Erwachsenen- und Weiterbildung gehört, der sich nicht nur die Volkshochschulen ja verschrieben haben, sieht nicht nur das schwule Inhaberehepaar Dietmar Holzapfel und Josef Sattler als Durchbruch an.

Was einst im Untergrund geschah, ein mitunter gefährliches Geheimnis war, zumindest aber eher ein sich irritiertes Abwenden hervorrief anstatt ein neugieriges Hinschauen, ist inzwischen zur Münchner Sehenswürdigkeit geworden. Darüber freuen sich alle weltoffenen und an ihren Mitmenschen interessierten Bewohner der Landeshauptstadt und des Landkreises München. Nur ein paar Herren werden jetzt langsam nervös. Doch wir können sie beruhigen: Eine Führung bei laufendem Betrieb ist derzeit noch nicht vorgesehen.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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