Mitten in München:Kraulen gegen die Kernkraft

Auf den ersten Blick passt es nicht zusammen, dass die Stadtwerke die Bäderpreise erhöhen und gleichzeitig 192 Millionen Euro als Rücklage für den Abriss eines Atomkraftwerks bunkern. Der Zusammenhang erschließt sich erst bei näherem Hinsehen

Von BERTHOLD NEFF

Wäre es andersherum gekommen, hätten wir uns ja nicht beklagt. Wenn man weiß, dass ein Unternehmen ein sattes Minus nach Steuern von 164 Millionen Euro macht, dann akzeptiert man es eher, dass diese Firma - die Rede ist von der Stadtwerke München GmbH - ihre Kunden zur Kasse bittet. Es war aber so, dass die Stadtwerke am Gründonnerstag schon mal verkündeten, dass die Preise bei den M-Bädern zum 1. Mai angehoben werden. Der Eintritt in die Freibäder kostet künftig 4,30 Euro statt 4,20 Euro, das ist eine Erhöhung um 2,38 Prozent. Etwa gleichauf liegt der Anstieg im Westbad, wo nun 13,40 Euro statt bisher 13,10 Euro fällig sind, Sauna inklusive.

Ehrlich gesagt - wir hatten angesichts der Investitionen der Stadtwerke in die Gasfelder Norwegens und in das heiße Wasser in Münchens Untergrund gehofft, dass die Bäderpreise sinken. Wenn man das Gas für die Heizung selbst fördert, muss es doch billiger sein als jenes von Gospodin Putin aus Sibirien. Von der kostenlosen Geothermie ganz zu schweigen. Einmal tief genug bohren, schon sprudelt einem 90 Grad heißes Wasser entgegen, gerade richtig für das Dante-Winter-Warmfreibad.

Diese Hoffnungen haben sich nun zerschlagen. Fünf Tage nach der Bekanntgabe der neuen Bäderpreise meldeten die Stadtwerke das negative Konzernergebnis nach Steuern. Das Minus von 164 Millionen ergibt sich vor allem daraus, dass für das Abschalten und den Rückbau des Atomkraftwerks Isar II in der Bilanz für 2016 Rückstellungen in Höhe von 192 Millionen Euro nötig wurden. Da können die Münchner viel baden gehen, bis dieses Geld wieder reinkommt.

Man sollte das alles aber positiv sehen. Auch wenn beim Blick auf das Schneegestöber draußen ein Aufenthalt im Freibad noch unvorstellbar erscheint, wunderbar wäre schon: Dass es uns gelingt, einfach durch stetes Kraulen und dampfende Aufgüsse Isar II abzuschalten. Vom selbstgemachten Fallout auf der Liegewiese bleiben wir dann verschont. Wir müssen nur noch den Sonnenbrand vermeiden.

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