Mitten in München:"H" wie heimelig

Kaum wartet man ein paar Jahre, bekommt man in der zentralen Zulassungsstelle für den geliebten Oldtimer das passende Kennzeichen. Überhaupt ist die Behörde der geeignete Ort, um über das Wesen der Zeit zu meditieren

Von Renate Winkler-Schlang

Käsesemmel dabei, die Feuilleton-Seiten und für den Notfall ein Krimi: So ein Urlaubsvormittag in der zentralen Zulassungsstelle kann lang werden. Das kennt man vom vergangenen Besuch, als der alte Campingbus noch neu war für uns - drinnen vom Vor-Vorbesitzer einst eingebaute, dunkel gebeizte Möbel, die längst Retro-Schick haben. Damals, bei der Anmeldung unseres wunderbaren Reisemobils, hatte sich die träge Menschenschlange im Erdgeschoss drei Mal gewunden, in Ruhe konnte man Gesichter und Gewänder studieren. Schrittchen für Schrittchen, bis der Bittsteller am ersten Schalter angekommen ist - nur um prüfen zu lassen, ob man alle nötigen Dokumente dabei hat und um dann mit der begehrten Wartenummer auf Stockwerke und Bereiche verteilt zu werden.

Dieses Mal: keiner da, niemand steht an. Unsicherer Blick: Haben die überhaupt Sprechzeiten heute? Der Weg zum Schalter ist völlig frei: "Erster Stock, Bereich B. Sie haben Glück: Nur zehn vor Ihnen", sagt die nette Frau hinter Glas. "B 352" steht auf dem Wartezettel, auf dem Display über den Reihen mit den grauen Drahtsesseln "B 345". Hoffnung keimt auf, das geht ratzfatz. Aber dann: V 142 blinkt auf, dann V 143. Andere Buchstaben, andere Zahlen. Lohnt es sich doch, im Krimi zu blättern, die Wasserflasche aufzuschrauben?

Lieber optimistisch bleiben, das Display im Auge: "Willkommen bei der Kraftfahrzeugzulassungs- und Fahrerlaubnisbehörde" als Endlostext. Zermürbend langsam, ein Buchstabe nach dem anderen. Zeit. Viel Zeit. Gedanken kommen. Ist eine Fahrerlaubnis etwas anderes als ein Führerschein? Was verbirgt sich hinter den Milchglasscheiben, hinter denen Mitarbeiter zulassen und erlauben? Haben sie Zimmerpflanzen? Pirelli-Kalenderblätter oder Ansichtskarten aus Bibione an den Bürowänden?

Ein kleines Bling reißt uns aus den Tagträumen: B 352, Zimmer 148. Rein, Papiere rüberreichen, raus, das TÜV-Wapperl vom alten Nummernschild kratzen, rein, raus, runter, Kassenautomat, Schilderdrucker, neue TÜV-Plakette, alles fertig. Hurra: Das neue Nummernschild trägt nun ein "H" wie historisch. Nun ist unser Ferienbus ein echter Oldtimer, ein technisches Kulturgut.

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