Mitten in München:Der Fluch der Flatrate

Nur die Älteren erinnern sich noch an die Zeit, als das Handy-Telefonieren in Bus oder Tram verpönt war. Heute ist dem Wortschwall nicht mehr zu entkommen

Von berthold neff

Die Älteren unter uns erinnern sich sicher noch gut an jene Zeiten, als es in der Trambahn oder im Bus streng verboten war, das Mobiltelefon zu zücken. Wurde man vom Fahrer dabei ertappt, stoppte er die Fahrt einfach so lange, bis man das Gespräch beendete. Anderenfalls wurde man vor die Tür gesetzt, um es draußen, an der frischen Luft, fortzusetzen. Lange Zeit verhinderte die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) auch den Handy-Empfang in der U-Bahn und begründete dies mit angeblichen Umfragen, wonach die Mehrzahl der Fahrgäste sich vom ständigen Telefonieren gestört fühlen würde.

Leider knickte die MVG dann doch noch ein. Schnell waren die Züge von einem lauten Plappern erfüllt. Anfangs beschränkten sich die meisten noch darauf, im Telegrammstil mitzuteilen, dass man wegen eines Schadzuges im Stau stehe, denn das mobile Telefonieren hatte durchaus seinen Preis. Die Dämme brachen erst, als sich die Flatrate durchsetzte, der Grund allen Übels.

Beim Telefonieren bewirkt sie, dass die einzelnen Wörter so gut wie nichts mehr wert sind. Egal, wie viele man benutzt und durch die Luft schickt, sie sind alle schon bezahlt, keines kostet extra. Das ist wie im All-inclusive-Urlaub. Man schlägt sich den Bauch schon frühmorgens am Buffet voll, jagt gegen Mittag ein paar Schnäpse hinterher, um Platz für die nächsten Gänge zu schaffen, bevor man sich am Abend den Rest gibt. Kostet nichts extra, ist alles schon bezahlt und macht sich dann auf den Hüften breit. Nur der Wortschwall aus der U-Bahn ist perfider: Der setzt sich in den Ohren der anderen fest.

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