Mitten in Haidhausen:Erleuchtung zum Frühstück

In einer bestimmten Wohnung am Max-Weber-Platz gibt es noch nicht einmal am Sonntag vernünftiges Frühstück. Dort beherbergen die Bewohner den wohl leersten Kühlschrank des fünften Stadtbezirks. Die Nachbarn dagegen haben den Bogen raus

Von Franziska Gerlach

Was isst der Dalai Lama zum Frühstück? Buddha-Brot. Etwas anderes war ja eigentlich auch nicht zu erwarten von einem derart bescheidenen Zeitgenossen, zumal die hiesige Frühstückskultur in Fernost ohnehin nicht allzu hoch im Kurs steht. Und auch im europäischen Ausland tut man sich mit einer ausgedehnten Mahlzeit gleich nach dem Aufstehen noch immer schwer - immerhin sollen Kate und William den vor der Geburtsklinik campierenden Royal-Fans eines Morgens tatsächlich butterweiche Croissants spendiert haben. Die Mehrheit der Hörnchen dagegen, die die Italiener um diese Tageszeit in lauwarmen Milchkaffee tunken, weisen wohl eher die Härte von Carrara-Marmor auf. Wären der Dalai Lama, die Windsors oder irgendein anderer Weltbürger in einer bestimmten Wohnung am Max-Weber-Platz zu Gast, bekämen sie an manchen Sonntagen noch nicht einmal eine Stulle serviert. Denn dort beherbergt ein an sich recht normales Paar den wohl leersten Kühlschrank des fünften Stadtbezirks, wenn nicht sogar ganz Münchens: Es fehlt nicht nur der Kaffee, sondern auch die Milch. Von Brot und Butter ganz zu schweigen. Was soll man auch machen, wenn beide berufstätig sind und Supermärkte so früh schließen?

Doch im Grunde weiß man natürlich, dass diese Ausrede so faul ist wie das Ei, das man soeben mit einem Plumps in den Biomüll entsorgt hat. Wie man sich besser organisiert, kann man überdies von den lieben Nachbarn abschauen. Das Ehepaar Mustermann schafft es nicht nur, seine Speisekammer zu befüllen. Die beiden - sie Anwältin, er irgendwas mit Finanzen - laden sogar regelmäßig zum Frühstück ein. Und dann wird richtig aufgefahren: Der süße Duft einer Mango hängt unter der Zimmerdecke, es gibt frischen Bananen-Kiwi-Sellerie-Avocado-Kresse-Saft, Milch in allen erdenklichen Fettstufen sowie fünf verschiedene Sorten Vollkornbrötchen. Diese bestreicht man im Übrigen nicht mit Marmelade, sondern träufelt Konfitüre mit einem possierlichen Silberlöffelchen darauf.

Damit der Gast satt wird, hat die Hausherrin "Cinnamon Buns" gebacken, die sich beim heimlichen Googeln unterm Tisch als grundsolide Zimtschnecken entpuppen. Macht nichts: Allein der guten Kinderstube wegen werden die Kochkünste wie das Drumherum über den grünen Klee gelobt. Und alle diese "Ooohs" und "Aaahs" seien den Gastgebern ja auch gegönnt. Denn eines ist sowieso klar: Die Kompetenz, einen Frühstückstisch effektvoll zu arrangieren, erfordert konsequentes Blättern in bunten Postillen der Gattung "Ich-richte-meine-Wohnung-schön-ein". Gefühlt drei Jahrgänge der Heftchen erwarten einen dann auch auf dem stillen Örtchen. Und deren Lektüre kann für einen Unwissenden durchaus auch Erleuchtung sein.

© SZ vom 21.05.2015 / Frühstücksgewohnheiten können sehr unterschiedlich sein. Da muss man gar nicht erst nach Italien oder Frankreich schauen. Mitunter kann man auch in München sein Wunder erleben. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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