Mitten in Hadern:Des einen Freud, des anderen Leid

Fünf Amseln machen einem Hobby-Winzer die Trauben an seiner Terrasse streitig. Da ist guter Rat teuer

Von Berthold Neff

Es ist ja gerade in diesem heißen Sommer viel von der Klimakatastrophe die Rede. Man sagt, dass sie unsere Flora und Fauna von Grund auf verändern wird. Da es in Zukunft noch mehr solcher Hitzeperioden geben wird, könne man schon bald auch in der Voralpenregion Gewächse kultivieren, die sonst nur in südlicheren Gefilden gedeihen. In Hadern, immerhin am südwestlichen Ende Münchens gelegen, ist dieser von den Klimaforschern prognostizierte Fall längst eingetreten. Hier wachsen rund um eine kleine Terrasse Reben, zehn Weinstöcke immerhin.

Und jetzt, da ihnen die Sonne einheizt, färben sie sich blau und rufen so leider auch ihre natürlichen Feinde auf den Plan - die Amseln. Die hocken zu fünft in der Gleditschie gegenüber, beäugen das Terrain und setzen dann zu ihrem Sturzflug an. Es ist zwar nicht so, dass die Trauben schon genießbar wären, sie sind so sauer wie Essiggurken. Das ficht die Amseln aber nicht an, möglicherweise haben sie an ihren spitzen Schnäbeln keine Geschmacksknospen und fressen einfach nach Farbe.

Da ist guter Rat teuer. Eines dieser hölzernen Windräder namens Klapotetz aufzustellen, wie sie im südsteirischen Weinland als Vogelschreck im Gebrauch sind, scheidet aus mehreren Gründen aus. Erstens bläst bei uns seit Tagen kein Wind, und wenn es dann doch eine Brise gäbe, wäre man unweigerlich wegen Ruhestörung dran. Bleibt also nur das schnöde Vogelschutznetz, das eigentlich Traubenschutznetz heißen müsste.

So schnöde dankt der Mensch, der um den Ertrag eines langen Arbeitsjahres fürchtet, diesen wundervollen Sängern, die ihn an lauen Frühlingsabenden mit ihren Liedern erfreut haben. Es hätte für unsere schwarzen Freunde mit den gelben Schnäbeln aber auch schlimmer kommen können. Es wäre für den Winzer auch eine Allianz mit den höchst intelligenten Rabenkrähen aus der Nachbarschaft möglich gewesen. Sie hätten es sicher verstanden, dass sie für die eine oder andere geschenkte Nuss lediglich die Amseln auf Distanz halten müssten. Ohne Gewalt, nur durch die abschreckende Wirkung ihrer krächzenden Schreie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: