Mitten in Giesing:Angst vorm Rumpelmann

In Zeiten der Gentrifizierung muss man die Umdeutung althergebrachter Kinderspiele befürchten

Von Hubert Grundner

Neulich, der Sommer hat erstmals ganz Giesing in wohlige Wärme getaucht. Am Firmament spannt sich ein stahlblauer Himmel, so klar, dass man dahinter bereits das nachtschwarze All erahnen kann. Noch aber vergoldet die Sonne den frühen Abend, lässt Gläser und Besteck auf den Bistro-tischen im Freien funkeln. Freunde begrüßen einander, sie plaudern, essen und trinken zusammen, der eine kommt, der andere geht - ciao, tschüss und pfiat eich ruft man sich zu. Dolce vita auf dem Alpenplatz.

Fast noch erstaunlicher: Auf der kleinen Grünfläche in der Mitte des Platzes spielen tatsächlich Kinder. Kinder aus Fleisch und Blut, die lachen und kichern, auch mal schreien und kreischen - ohne dass ein Nachbar mindesten dreimal so laut nach Ruhe brüllt. Selbst dann nicht, als die Sonne hinter Heilig Kreuz längst verschwunden ist. Jetzt ist die richtige Zeit, um "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?" zu spielen - für die Kleinen ein Grusel-Spaß vom Feinsten.

Irgendwann muss der Beobachter der Szenerie seinen Posten verlassen. Der Natur gehorchend, sucht er im Lokal die Toilette auf. Und während aller Druck und alle Verkrampftheit von ihm abfallen, streift sein Blick das Werbeschild einer Firma: "Mithilfe von Rumpelmann war die Wohnung sehr schnell leer & fertig für die Übergabe an den Vermieter", stand da zu lesen. Und wenn Oma oder Opa aus der Wohnung raus und ins Heim muss? "Auch damit lassen wir Sie nicht allein und packen an!", verspricht die Firma. Schneller könnte man kaum aus seinen Träumen vom guten Leben in Giesing gerissen und in die Realität der Gentrifizierung zurückgeholt werden. Vielleicht singen die Kinder ja künftig: "Wer hat Angst vorm Rumpelmann?"

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