Mitten in Forstenried:Bairisch als Fremdsprache

Wir sind total multilingual, aber wenn Ottfried Fischer beim Vorlesetag so redet, wie er es als Kind im niederbayerischen Ornatsöd gelernt hat, muss er das seinen Zuhörern gleich erklären - auf Deutsch

Von Jürgen Wolfram

Gemütliches Beisammensein, tolle Geschichten, Mama und Papa nehmen sich Zeit: Das ist es, was Kinder nach einer bundesweiten Umfrage am Vorlesen so lieben. Besonders toll finden die Kleinen vermutlich, wenn ihnen Texte in ihrer Muttersprache vorgetragen werden, was bekanntlich ungemein zum Verständnis beiträgt.

Die Begegnungsstätte "Treff & Tee" in Forstenried hat diesen Zusammenhang erfasst; sie offerierte zum bundesweiten Vorlesetag ein vorbildlich multilinguales Programm: "Wir lesen für Menschen ab zwei Jahren auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Russisch, Spanisch, Slowakisch, Tschechisch und Türkisch vor." Zwischen den Zeilen lässt sich auch ablesen, wie international es im Südwesten zugeht. Doch soll dieser Aspekt den eigentlich Clou der Veranstaltung nicht überdecken. Der bestand darin, dass Geschichten auch in einer Fremdsprache vorgetragen wurden, die Buben und Mädchen aus München anscheinend kaum noch verstehen - Bairisch.

Höchste Zeit also für eine Stunde Leseförderung in heimischer Zunge. Damit sie im kindlichen Gedächtnis bleibt, wollte der Bürgertreff-Verein nicht lange abwarten und Tee trinken, sondern bot gleich mal einen Vorleser mit Promi-Faktor zur Nachhilfe auf: Ottfried Fischer, die Idealbesetzung für altbairische Temperamentsausbrüche. Praktischerweise hat der Schauspieler und Kabarettist gemeinsam mit Sam McBratney und Anita Jeram selbst schon mal ein Kinderbuch verfasst: "Woaßt du ibahapts, wia gern dass i di mog?"

Für ausländische Mitbürger jeden Alters, die gerade einen Deutschkurs besuchen, fraglos eine Herausforderung, aber nicht nur für sie. Staunende Kindergesichter ließen es dem geistigen Vater des "ganz kloanen Has'" geraten erscheinen, von Zeit zu Zeit kurze Übersetzungen nachzuschieben, auf dass die Buben und Mädchen weiterhin zuhörten, statt im rappelvollen Bürgertreff Purzelbäume zu schlagen. Die entscheidende Vokabel hat der Bühnenveteran selbstverständlich parat: "lusen". Das ist niederbairisch und heißt so viel wie "zuhören", "lauschen". Am Ende hatte niemand mehr den geringsten Zweifel: Das Buch ist der Schlüssel zur Welt. Gilt für die große weite Welt, aber auch für die kleine direkt vor der Haustür.

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