Mitten im Westend:Getroffen, versenkt

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Auf der Schwanthalerhöhe wünscht man sich einen Brunnen - doch die Umsetzung gestaltet sich schwieriger als angenommen

Von Andrea Schlaier

Es ist eine hohe Kunst, Menschen ihren innigsten Wunsch von den Augen abzulesen. Ganz zu schweigen von Hellsehern, die zu sagen vermögen, wonach ein anderer sich ein Leben lang sehnt. Derlei Magier haben schon 1954 im Auftrag eines Haushaltswaren-Herstellers von Plakatwänden verkündet, genau zu wissen, "was Frauen wünschen". Über dem Schriftzug und einer weit geöffneten Kühlschranktür balancierte eine tüchtige Hausfrau ihr hübsch zurecht gemachtes Häppchen-Tablett.

Nun sind städtische Verwalter der professionellen Sprücheklopferei vergleichsweise unverdächtig. Doch scheinen in ihren Reihen Talente praktizierter Vorhersehung zu schlummern. Diese überraschende Entdeckung machte der Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe. Seit Jahren träumt man dort von einem Trinkwasserbrunnen im Viertel, gern am Georg-Freundorfer-Platz. Groß und Klein vergnügen sich hier den lieben langen Tag spielend, ratschend, rastend. Wie gut, wenn sie sich mit einem kühlen Schluck des als köstlich gepriesenen Münchner Trinkwassers erfrischen könnten!

Das Begehren schaffte es schon ins städtische Baureferat, hielt sich dort aber nicht lang über Wasser: Zu unrein sei eine solche Quelle wegen des Kontaktes mit Händen, Mund und Tieren. Linderung könne höchstens ein Trinkwasser-Modellversuch am Rindermarkt schaffen, der Probelauf dauere zwei Jahre. Zuletzt nun ein Quell der Hoffnung in Gestalt einer amtlichen Weissagung: Auf der Schwanthalerhöhe wolle man doch bestimmt einen Bertsch-Brunnen; ein Modell, das um 1900 von der Eisengießerei F. S. Kustermann nach dem Entwurf von Wilhelm Bertsch produziert wurde. Gibt's nur sieben Mal in München, etwa am Flaucher.

Kaum war das vermeintliche Verlangen aufgetaucht, war es auch schon wieder versenkt - weil von den historischen Stücken keines mehr übrig sei für die Schwanthalerhöhe. Wäre SPD-Fraktionschef Willi Mundigl professioneller Sprücheklopfer, hätte er die kollektive Empörung entsprechend verpackt - von wegen "Nichts ist unmöglich!". Stattdessen bevorzugte er Fakten, Fakten, Fakten: "Es geht uns um einen Brunnen, egal welchen." Hauptsache, Wasser.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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