Mineralientage:Undercover gegen das Artensterben

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Seltener Anblick - mittlerweile - Aufnahmen einer roten Koralle im Pazifik.

(Foto: imago/imagebroker)

Auf den Mineralientagen in München werden immer noch bedrohte Korallen und andere Meerestiere gehandelt. Unterwegs mit der Biologin Sandra Altherr von Pro Wildlife, die gezielt nach Verstößen fahndet.

Von Christoph Behrens

An diesem Ort ist fast alles uralt. Vor Äonen entstandene Steine glitzern in allen Farben - Sodaliten, Achate, Pyriten, Rhyoliten. Ein 42 Millionen Jahre alter Bernstein neben einem Fossil eines Ur-Fisches und einer versteinerten Ur-Pflanze. Halle A4 der Münchner Mineralientage-Messe beherbergt Tausende Dinge, die nie oder vor sehr langer Zeit gelebt haben. Doch darunter verstecken sich manche, die vor kurzer Zeit noch äußerst lebendig waren. Sandra Altherr braucht nicht lange, um sie zu finden. Die Biologin bleibt vor einem Stand stehen, an dem Kisten voller Muschelschalen ausgebreitet sind. Zielstrebig deutet sie auf zwei braun gescheckte Gehäuse, geformt wie eine Art zusammengerolltes Wikinger-Horn. "Ein Nautilus", flüstert Altherr. "Alle Nautilus-Arten sind geschützt nach CITES, Anhang zwei."

Cites ist das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, ins Leben gerufen, um bedrohte Tierarten vor Wilderei, Schmuggel und Handel zu schützen. Seit vergangenem Jahr steht auch der Nautilus darauf, eine Mollusken-Art, die im Pazifik und Indischen Ozean noch vereinzelt zu finden ist. "In den letzten Jahren sind die Bestände regelrecht kollabiert", sagt Altherr. "Dabei ist ihre einzige Bedrohung neben der Verschmutzung der Souvenirhandel." Für die Biologin sind Messen wie diese Teil des Problems; seltene Arten wie diese werden dadurch noch seltener. An dem Stand wird der Nautilus, der zoologisch zur Familie der Perlboote gehört, für 80 Euro zum Kauf angeboten. Der Fischer in Indonesien oder den Philippinen, der das Tier einst gejagt hat, verdient meist wenige Cent an der Schale.

Altherr ist für die Umweltorganisation Pro Wildlife auf den Mineralientagen undercover unterwegs, um nach möglichen Verstößen gegen den Artenschutz zu fahnden. Im schwarzen Pullover, mit Brille und kleiner Handtasche fällt sie in der Masse der Besucher nicht auf. "Das allermeiste hier ist vollkommen okay", sagt Altherr. Doch mit einigen wenigen Exponaten hat sie Probleme. Sie spaziert zu einem der nächsten Stände, prall gefüllt mit Dingen aus dem Meer, darunter wieder Perlboote. Daneben fein verästelte weiße Steinkorallen aus der Südsee, groß wie Basketbälle, 1000 Euro teuer. "Diese riesigen Teile fehlen im Korallenriff besonders dramatisch", sagt Altherr. Im Regal darüber liegen sogenannte Papierboote, ähnlich geformt wie der Nautilus, mit federleichter, fast durchsichtiger weißer Hülle. Darüber einige Gebisse von Haien, ab 700 Euro zu kaufen.

Nebenbei erzählt der Mitarbeiter vom Handel mit Pottwalzähnen

"Wunderschön", sagt Altherr zu einem italienischen Mitarbeiter des Standes und zeigt auf die Papierboote. Der Mann fängt an zu erzählen: Die Papierboote bekämen sie aus Madagaskar, den Nautilus aus Indonesien. Die Firma arbeite vor allem mit lokalen Fischern zusammen. Doch das Geschäft werde schwieriger, chinesische Fischer würden immer aggressiver, vor Madagaskar hätten sie einige Regionen praktisch leergefischt. Altherr lässt sich die Haigebisse näher zeigen. Er handle auch mit den Zähnen von Pottwalen, sagt der Mitarbeiter. Da wird Altherr hellhörig. Pottwale genießen den weltweit höchsten Schutz, jeder internationale Handel ist verboten. Das Gespräch geht in freundlichem Tonfall weiter. Von einem auf Madagaskar gestrandeten Pottwal habe er einmal die Zähne herausgebrochen, erzählt der Mann stolz. Ein Familienbetrieb auf Bali schnitze dann kunstvolle Muster hinein.

Mineralientage: Rote Korallen sind als attraktiver Schmuck gefragt. Auch deshalb sind sie im Mittelmeer fast ausgestorben. Auf den Mineralientagen in München finden sie trotzdem Käufer.

Rote Korallen sind als attraktiver Schmuck gefragt. Auch deshalb sind sie im Mittelmeer fast ausgestorben. Auf den Mineralientagen in München finden sie trotzdem Käufer.

(Foto: Christoph Behrens)

Altherr verabschiedet sich. "Tja, wenn man ein bisschen mit denen plaudert und sich blond stellt, kommen die ganz schön ins Erzählen", sagt sie beim Weitergehen. Sie ist zufrieden. Nicht, weil sie einen möglichen Verstoß entdeckt hat, sondern weil sie insgesamt sehr wenige gefunden hat. Vor drei Jahren seien beispielsweise deutlich mehr Perlboote auf den Mineralientagen angeboten worden. "Da gab es viele große Kisten, wo man Perlboote einfach rauswühlen konnte." Diesmal hat sie nur zwei Stände mit den Tieren entdeckt. Der Veranstalter habe offenbar auf ihre Kritik reagiert und diesmal besser aufgepasst, das freut sie. Gegen den Händler der Pottwalzähne werde Pro Wildlife eine Anzeige bei den italienischen Behörden erstatten, kündigt sie an. Schließlich hat sie eben von einem möglichen grenzüberschreitenden Handel gehört, das reicht für weitere Schritte. Bei Arten wie dem Nautilus sind ihr dagegen die Hände gebunden. Während Spezies wie der Pottwal, die unter die Cites-Kategorie 1 fallen, überhaupt nicht international gehandelt werden dürfen, ist Kategorie 2 weniger strikt. Handel ist erlaubt, sofern die exportierende Nation nachweist, dass der Fang der Natur nicht geschadet hat. Tatsächlich kann der Inhaber des italienischen Stands, Iacopo Briano, auf spätere Nachfrage hin Genehmigungen vorweisen, beispielsweise für die Steinkorallen oder für die Nautilusse. Diese habe er 2012 importiert, bevor das Verbot in Kraft getreten sei. Die Restbestände dürfe er noch verkaufen. Überhaupt helfe das Handelsverbot dem Nautilus nicht wirklich. "Sie landen überall in Südostasien in Fischernetzen", sagt Briano. Als Beifang, oder weil sie selbst verzehrt würden. Nun müssten die Fischer die Schalen wegwerfen. Den Druck auf die Art reduziere das nicht.

Altherr lässt das nicht gelten: "Sie werden ganz gezielt mit Fallen gejagt, das Hauptziel ist das Gehäuse." Dennoch wertet sie die Aussage des Italieners als Erfolg. Dass er von Restbeständen spricht, "lässt hoffen, dass er die das nächste Mal gar nicht mehr dabei hat". Zäh wird es dagegen bei Arten, deren Bestände ebenfalls bedroht, die aber nicht durch Abkommen wie Cites geschützt sind. Wie etwa der Roten Edelkoralle, die im Mittelmeer nur noch selten vorkommt. In der nächsten Halle werden die roten Korallen an vielen Ständen in rauen Mengen zu Perlenketten verarbeitet angeboten. Konsumenten finden meist keinen Hinweis darauf, um was es sich handelt. Manche der Steine sind groß wie Golfbälle. Das seien sehr alte Korallen, es dauere Jahrzehnte, bis sie nachwachsen, erklärt Altherr. Wenn die Bestände sich überhaupt noch erholen.

Ein Antrag auf den Schutz der Roten Koralle nach Cites scheiterte am Widerstand Italiens. "Die Händler sagen natürlich, so lange wir dürfen, machen wir", sagt Altherr und seufzt. "Da blutet einem das Herz, aber wir können nichts machen."

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