Millionengeschäft Wiesn:Auf dem Glücksrad

Das Oktoberfest ist nicht nur für die Wirte und Fahrgeschäftbetreiber ein Millionengeschäft. In München profitieren viele - vom Trachtenhändler bis hin zum Souvenirverkäufer. Wer wirklich an der Wiesn verdient.

Michael Tibudd

Da sage noch einer, Wiesn-Accessoires müssten teuer sein. Wer jedenfalls noch dringend weiß-blaue Fähnchen, Strohhalme mit weiß-blauen Fähnchen, weiß-blaue Cocktail-Schirmchen und silbern-blaues Lametta als Dekoration für die heimische Wiesn-Mottoparty sucht, sollte zu diesem Online-Händler schauen. Ein "Oktoberfest Bayern Party Set" bietet der an, "330-teilig", zum Preis von 5,59 Euro. Gewiss, die Versandkosten dürften die Kalkulation etwas vermiesen, und doch: Wer zur Wiesn-Zeit nicht aus dem Haus gehen will, kann sich recht günstig in Feststimmung bringen.

Ob nun Billigramsch oder das edle Trachten-Outfit für Tausende Euro: Das Geschäft rund um das Oktoberfest ist in vollem Gange. Einzelhändler aller Art haben Flächen freigeräumt für Dirndl und Lederhosen als große saisongebundene Umsatzbringer. Wer keine kompletten Kleidungsstücke verkauft, spezialisiert sich aufs Zubehör. Die Standln in der Innenstadt sind noch ein bisschen voller mit Sepplhüten, die insbesondere bei Trinktouristen beliebt sind. Etwas geschmackssicherer sind Ohrringe und Halsketten in Breznform oder Dekorationsartikel für den Haushalt - nicht nur weiß-blaue Party-Accessoires sind in den Läden der Innenstadt zu finden. Auch das ein oder andere Miniatur-Riesenrad lässt sich hier kaufen.

Bei so viel Angebot sind Einschätzungen des gesamten Geschäftsvolumens schwer zu bekommen. Allzu gern machen Einzelhändler ähnlich den Wiesnwirten ein Geheimnis um ihre Einnahmen. Der Handelsverband Bayern (HBE) als Interessenvertretung des Einzelhandels schätzt aber, dass die Wiesn und all das Drumherum einen ordentlichen dreistelligen Millionenbetrag in die Kassen bringt. Bei einem jährlichen Gesamtumsatz von etwa zehn Milliarden Euro ist das zwar immer noch ein kleiner prozentualer Anteil. "Aber für den Einzelhandel ist es wichtig, dass einmal im Jahr die Welt auf München blickt", sagt Bernd Ohlmann vom HBE. "Viele entdecken München über das Oktoberfest - und kommen in Zukunft öfter und lassen dann wieder Geld in den Läden."

Je spezialisierter ein Laden auf das Wiesn-Geschäft ist, desto bedeutender ist dabei natürlich die Zeit um das Oktoberfest. Trachten Angermaier etwa macht 30 Prozent seines Jahresumsatzes im August und September. "Wir bemühen uns seit Jahren, das Geschäft ein bisschen nach vorne zu verlagern", sagt Geschäftsführer Axel Munz - allein schon, damit sich die Kunden zur unmittelbaren Wiesnzeit nicht so sehr gegenseitig im Weg stehen.

Ein Haus wie Loden Frey, das nur eines seiner sechs Stockwerke mit Trachten bestückt hat, registriert indes keine großen Umsatz-Ausreißer nach oben während dieser Zeit - die Kauflaune der Münchner zur Wiesn nimmt man dort aber nur zu gerne auch mit. Das gilt auch für Hugendubel als großem Buchhändler, der zur Wiesnzeit seine Bavarica-Abteilung erweitert, mit allerlei bayerischen Titeln und Krimskrams.

Wie die Hoteliers profitieren

Große Profiteure der Wiesn sind freilich die Hoteliers. Wiesnzeit ist Hochsaison in München, "und zur Hochsaison gibt's Hochsaison-Preise", wie Conrad Mayer es formuliert, München-Chef des Hotel- und Gaststättenverbandes und selbst Hotelier. Konkrete Zahlen zum Wiesn-Geschäft, währenddessen die Hotelpreise teils deutlich über dem Durchschnitt des Jahres liegen, nennt auch er nicht, nur so viel: "Der September als stärkster Monat bringt in der Regel doppelt so viel wie der Januar."

Das belegt schon ein einfacher Blick in die Übernachtungsstatistik: Im September 2011 registrierten die Betriebe 1,2 Millionen Übernachtungen, im Januar 2012 waren es 760 000 - kalkuliert man die höheren Preise zur Hochsaison dazu, kommt man also leicht auf doppelt so hohe Einnahmen bei der Hotellerie. Zum Geschäft gemacht haben sich die Wiesn in den vergangenen Jahren auch viele Wirte, die gar kein Zelt auf der Wiesn haben - die After-Wiesn-Partys sind nach der Fußball-WM 2006 entstanden, rund um die Theresienwiese, aber auch an anderen Orten in der Stadt toben sich Feierwütige seither auch nach Schankschluss aus. "Das Potenzial ist da, und es ist einfach sinnvoll, wenn wir das anzapfen", sagt Conrad Mayer.

Wenig Potenzial gibt es während der Wiesn für einen Typ Unternehmen, bei dem das auf den ersten Blick überrascht: Taxi-Zentralen. "Wir finden kaum ein Taxi, das wir vermitteln können", sagt Jürgen Dinter von Isarfunk zu dieser Zeit. Soll heißen: Die Taxler selbst sind mit dem Geschäft auf der Straße so ausgelastet, dass sie kaum mehr reguläre Aufträge der Vermittler annehmen. "Unsere Stammkunden, oft ältere Leute, die ein Taxi für die Fahrt zum Arzt brauchen, müssen dann oft länger warten", sagt Dinter.

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