Milky Chance in München:Sound für die Strandbar

Milky Chance in München: "Wir versuchen zu machen, worauf wir Bock haben" - Milky Chance geben sich cool.

"Wir versuchen zu machen, worauf wir Bock haben" - Milky Chance geben sich cool.

(Foto: Lichtdicht Records)

Melancholischer Folkpop, raue Stimme, schüchternes Auftreten: Milky Chance bringen in München die Teenager zum Kreischen. Doch das junge Duo zeigt in der ausverkauften Muffathalle auch, warum sein Sound demnächst in Miami laufen könnte.

Von Beate Wild

Das Gekreische geht schon los, da steht der Wuschelkopf noch gar nicht auf der Bühne. Die Muffathalle ist ausverkauft, vor allem Teenagermädchen warten auf das Duo Milky Chance. Milky Chance, das ist melancholischer Folkpop mit einem Quäntchen Reggae - und dazu die raue, ja versoffene Stimme von Sänger Clemens Rehbein. Sie klingt nach einem Mann mit viel Lebenserfahrung und einem hohen Whiskey-Konsum. Doch hinter dem Sound steckt kein alternder Lebenskünstler aus Kalifornien, sondern ein junger Mann.

Er und Philipp Dausch aus Kirchditmold, einem bürgerlichen Stadtteil von Kassel, haben 2012 zusammen Abitur gemacht. Im gleichen Jahr luden sie einen Song im Internet hoch: "Stolen Dance". In kürzester Zeit machte er eine halbe Million Klicks. Am Montagabend stehen die beiden 20-Jährigen in München vor einem hyperventilierenden Publikum. Die Mädchen kreischen, aber auch die Jungs sind begeistert. Milky Chance macht ihnen vor, was hätte passieren können, hätten sie nur mehr auf ihrer Gitarre geübt.

Die beiden Musiker mit ihrer Mischung aus Akustik-Rock, Neofolk, Reggae und elektronischen Beats sind ein Phänomen, wie es Deutschland schon lange nicht mehr erlebt hat. Erinnert ein bisschen an das Jahr 2000, als Patrice aus Köln sein Reggae-Album "Ancient Spirit" herausbrachte und sich die deutsche Jugend nach Jamaika träumte.

Milky Chance wirken noch schüchtern und ungelenk

Auch Milky Chance schafft es, romantische Gefühle, Herzschmerz und Sehnsüchte in den Liedtexten zu transportieren. Da wird gesungen vom Vermissen ("I want you by my side/ So that I never feel alone again"), Verlassenwerden ("You shot my heart like a bullet all alone") und Vernarrtsein ("How we explode like the lights in the dark"). Verpackt sind diese Textzeilen in großartige Shuffle-Beats ("Stunner") oder in treibenden Hook-Lines wie bei "Flashed Junk Mind".

Milky Chance in München, 2013.

Clemens Rehbein (links) und Philipp Dausch beim Puls-Festival im Dezember 2013 in München.

(Foto: Catherina Hess)

"Sadnecessary", das erste Album der beiden Schulfreunde, wurde der Soundtrack des deutschen Sommers 2013. Seither hält der Erfolg an. Kaum ein Konzert, das nicht ausverkauft ist. Kein Radio, das nicht ihre Songs spielt. Auch große Labels dürften längst ein Auge auf das Duo geworfen haben. Doch, wie Rehbein versichert, haben sie an einem solchen Plattenvertrag kein Interesse und wollen mit ihrem eigenen Label Lichtdicht Records lieber unabhängig bleiben. Wie lange das gelingt, wenn man im Frühstücksradio zwischen Daft Punk ("Get Lucky") und Miley Cyrus ("Wrecking Ball") gespielt wird?

Auf der Bühne bewegen sich Rehbein und Dausch jedenfalls noch nicht wie abgeklärte Profis. Sie wirken eher schüchtern und etwas ungelenk, aber genau das macht sie sympathisch. Keine einstudierten Boygroup-Schritte, keine perfekt inszenierte Show. Rehbein ist maulfaul wie viele Jungs in seinem Alter. Er redet wenig mit seinen Fans, dafür grinst er in die Menge, das reicht eigentlich schon.

Kumpel Antonio simuliert Lagerfeuerstimmung

Das Publikum in der Muffathalle ist zwischen 15 und 25 Jahren alt. Die Älteren sind zumeist Erziehungsberechtigte. Doch Milky Chance kann man auch noch gut finden, wenn man das Teenageralter hinter sich gelassen hat. Wenngleich der Schwermut in Rehbeins Sound und Stimme nahezu geschaffen ist für Teenager mit Liebeskummer. Dass sich das Duo vor einer Leinwand mit Dünen im Sonnenuntergang inszeniert, tut sein Übriges. Und dann kommt auch noch für einige Songs Kumpel Antonio auf die Bühne mit seiner Mundharmonika und simuliert Lagerfeuerstimmung.

Die beiden Jungs aus Kassel gehören zum Besten, was der deutsche Musikmarkt in jüngster Zeit hervorgebracht hat. Milky Chance haben internationales Potenzial. Es würde niemanden wundern, wenn an der Strandbar in Thailand oder Miami dieser verträumte Sound läuft.

Am Dienstagabend spielen Milky Chance noch einmal in der Muffathalle. Das Konzert ist ebenfalls ausverkauft.

­

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: