Milchbar:Enthemmt im Rotlicht

Münchens jugendliche Nachtschwärmer haben seit Anfang dieses Jahres einen neuen Hotspot: Die Milchbar in der Sonnenstraße. Dort wird getanzt, gefeiert - und vor allem getrunken.

Beate Wild

Drei Uhr morgens auf der Sonnenstraße: Auf dem Gehweg vor dem Sex-Center stehen Dutzende junger Menschen in einer Schlage, die meisten brav wartend bis sie an der Reihe sind. Nur zwischendurch grölt einer aus der Menge ein Lied, irgendein Mädchen kreischt.

Am Ende der Schlange wachen zwei kräftig aussehende Typen in warmen Daunenjacken über den Eingang und lassen die Leute nur zögerlich durch. Das Warten gilt jedoch nicht dem Sex-Shop, sondern der Milchbar, Münchens legendärem Party-Club, der seit Anfang Februar in der Münchner Innenstadt residiert.

Die Milchbar war vor über zehn Jahren der erste wirkliche Club im damaligen Kunstpark. Durch seine als extrem ausschweifend bekannten Partys erarbeitete sich der Laden von Florian und Jakob Faltenbacher seinen Ruf. Aber da die Optimolwerke seit längerem einfach nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen und sich seit einigen Jahren immer mehr Nachtlokale in der Münchner Innenstadt ansiedeln, orientierten sich auch die Faltenbachers an diesem Trend und wagten Anfang 2008 einen Neuanfang in der Sonnenstraße.

Gut zwei Monate gibt es nun die neue Milchbar und der Ansturm ist immer noch so groß wie am Tag der Eröffnung. Um rein zu kommen, nehmen die Nachtschwärmer sogar eine mehr als halbstündige Wartezeit in Kauf. Wer es dann endlich geschafft hat und die Treppe nach oben erklommen hat, findet sich in einem rot durchgestylten, aber total überfüllten Laden wieder.

Der neue Club ist nicht größer als der alte und auch der Stil ist altbewährt. Das Licht ist rot, das Ambiente kühl und modern. Durchtrennt wird der Raum von zwei langen Bars. Hier bekommt der durstige Gast zügig alkoholischen Nachschub zu moderaten Preisen. Zum ersten Mal gibt es in der Milchbar Sitzplätze. Sie sind aus roten Polster und eigentlich ständig belegt. Der größte Teil des Ladens ist aber Tanz- und Stehfläche, und auch diese wird bis auf den letzten Quadratzentimeter ausgenützt.

Will man zur Bar, muss man erst eine Art Spießrutenlauf absolvieren. Ist man dort angelangt und hat endlich ein Getränk in der Hand, will man sich am liebsten gar nicht mehr von der Stelle rühren. Aber das macht nichts: in der "Milchbar" muss man nicht unbedingt selber tanzen, man kann auch wunderbar beobachten.

Enthemmt im Rotlicht

Das Publikum hat ein Durchschnittsalter von Anfang 20. Man sieht junge Snob-Typen in Polohemden mit kreativen Gelfrisuren neben Nerds mit dicken Brillengläsern und nachlässiger Kleidung. Auch bei den weiblichen Gästen gibt es eine große Bandbreite: Aufgemotzte Blondinen feiern neben grauen Mäuschen.

Die Musik, zu der die jungen Partygäste tanzen, ist am ehesten mit "elektronischem Mainstream" zu bezeichnen. Eine Mischung aus House und Clubhits - zumindest am Wochenende. Anders ist der Musikstil während der Woche. Mitgenommen aus der alten Milchbar haben die Betreiber den "Blue Monday", an dem Feierwütige, die nach dem Wochenende immer noch nicht genug haben vom Ausgehen, jeden Montagabend zu Hits aus den 80ern abtanzen können. Auch den Airliner-Dienstag gibt es noch unter dem Motto "Fly on Tuesday".

Bereits um drei Uhr morgens sind die meisten Gäste schon extrem betrunken - und es wird von Stunde zu Stunde schlimmer. Die Mädels stehen beim Alkoholkonsum den Jungs in nichts nach. Für die Clubbesitzer ist das natürlich fantastisch, weil bei großem Getränkeumsatz die Kasse klingelt. Eigentlich heißt es ja auch, dass ein erhöhter Alkoholpegel der Stimmung ganz zuträglich ist - und bis zu einem gewissen Grad stimmt das natürlich. Doch wenn irgendwann nur noch vollkommen betrunkene Leute durch die Gegend torkeln, die sich kaum mehr artikulieren können, ist das irgendwann nicht mehr schön.

In diesem völlig benebelten Zustand lassen sich allerdings schnell neue Bekanntschaften schließen. Ob für die Dauer des Abends oder den Rest der Nacht spielt dabei keine Rolle. Die Milchbar wird auch weiterhin ihrem Ruf als Abschleppschuppen gerecht. Wer nicht will, muss beim Hinausgehen nicht alleine sein. Und so gestaltet sich die Frage nach der nächsten Location als recht einfach: "Zu dir oder zu mir?"

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