Milbertshofen:"Weißwurstkessel" und "Vierzylinder"

BMW Zentrale in München, 2013

Der 1973 fertiggestellte "Vierzylinder" steht direkt am Mittleren Ring.

(Foto: Florian Peljak)
  • "Weißwurstkessel" und "Vierzylinder": Die Gebäude des Autobauers BMW haben im Volksmund markante Namen.
  • Nur die BMW-Welt läuft noch immer unter dieser eher einfallslosen Bezeichnung.
  • An Vorschlägen der Architekten mangelt es nicht - allerdings sind die mitunter eher ungeeignet.

Von Gerhard Matzig

Wenn die Menschen den Häusern Spitznamen geben, dann sind das immer auch versteckte, bisweilen angenehm boshafte Liebeserklärungen. Das BMW-Museum, realisiert bis 1973 als futuristischer Teil des BMW-Ensembles in der Nähe des Olympiageländes, wurde schnell als "Salatschüssel" oder "Weißwurstkessel" bekannt. Und den unmittelbar daneben sich knapp einhundert Meter hoch erhebenden Turm, als BMW-Hauptverwaltungsgebäude ebenfalls vom Wiener Architekten Karl Schwanzer entworfen, nannte man "Vierzylinder".

Daher stellt sich die Frage, warum die BMW-Welt, die seit 2007 direkt neben Salatschüssel und Vierzylinder steht, immer noch "nur" als BMW-Welt gilt. Kosenamenlos sozusagen. Ein Grund könnte sein, dass sich schon der Architekt Wolf D. Prix vom Wiener Büro Coop Himmelb(l)au nicht aufs Begriffliche einigen konnte mit den Managern des Autokonzerns. Prix fand nämlich, dass er, ausgehend von dem signifikant zum Mittleren Ring hin grüßenden Doppelkegel, so etwas wie einen "Orkan" entworfen habe. Typisch Prix eben, den man sich innerhalb der Architektenschaft durchaus als Sturmtief vorstellen kann.

Lieber eine Wolke

Allerdings machten die Automobilisten, an der Angst leidend, man könne Kunden verprellen, dann doch lieber eine harmlose "Wolke" aus dem gefährlichen Orkan. In Wahrheit handelt es sich natürlich weder um das eine noch um das andere - sondern um eine offensichtlich spitznamenuntaugliche Konstruktion.

Möglicherweise ist es aber auch so, dass die Menschheit auch in München aus unterschiedlichem Material besteht, also aus Architekten auf der einen Seite und Architekturbetrachtern auf der anderen Seite. Es kann nämlich auch sein, dass die Münchner seinerzeit, in den Siebziger-Jahren, die himmelstürmende und nach der Zukunft greifende Vision des Architekten ein bisschen erden, ja entvisionieren wollten. In diesem Fall wäre die Salatschüssel auch Ausdruck von Spottlust. Wäre dem so, dann wäre die spottfreie BMW-Welt auch ein Ausdruck des Respekts, den man dem Gebäude entgegenbringt - vor allem auf der Architekturbetrachterseite. Dem müsste allerdings entsprechen, dass die Architekten das Prix-Werk mehrheitlich kritisch beäugen.

Schmuckfoto München, BMW-Welt

Gelungene Außenwirkung: Die 2007 eröffnete BMW-Welt.

(Foto: Florian Peljak)

So ist es auch: Als die BMW-Welt vor bald neun Jahren eröffnet wurde, veranstaltete man kurz danach ein "Architektonisches Quartett" in München. Die Veranstaltung, auf der zeitgenössische Architektur in München diskutiert wurde, geriet insofern fast zum Tribunal. Die BMW-Welt wurde von den Prix-Kollegen geradezu verflucht. In Fachkreisen gilt die Orkanwolke noch heute als laues Lüftchen einer lediglich selbstreferenziellen, aufgeblasenen Architektur, die - im Gegensatz zu den Bauten Schwanzers - nicht in die Zukunft der Baukunst weise, sondern in die Vergangenheit der Signature Buildings à la Guggenheim-Bilbao-Phänomen (Frank Gehry) verweist.

Die BMW-Welt ist bleibt - auch ohne Kosenamen

Diese Kritik, ob berechtigt oder nicht, ist aber den Millionen Besuchern, die bislang in die BMW-Welt gepilgert sind, offenbar schnuppe. Die BMW-Welt ist beliebt. Aber das gilt auch für das BMW-Museum, das (nach dem Deutschen Museum, dem Schloss Nymphenburg und der Pinakothek der Moderne) zu den beliebtesten Münchner Museen zählt.

Wie dem auch sei, aus der Sicht des Architekturkritikers formuliert Prix' BMW-Welt eine kongenial zeitgemäße Antwort auf die Bauten Schwanzers. Was womöglich kein Zufall ist: Prix war sein Schüler. Und unbescheiden sind alle drei Bauten - Turm, Schüssel, Welt - nicht. Im Gegenteil: Es sind Architekturen mit Ausrufezeichen. Sie sind sich ihrer Sehenswürdigkeit bewusst.

Mag auch die BMW-Welt formal spektakelhafter geraten sein als die disziplinierteren Bauten Schwanzers aus den Siebzigerjahren: Alle drei Häuser bilden nun ein staunenswertes Ensemble, das nicht nur den Autokonzern BMW ins rechte Licht setzen will - sondern auch daran erinnert, dass sich München gelegentlich etwas traut. Solche bauliche Zuversicht ist an der Isar so selten wie ein Orkan im Weißwurstkessel. Schon deshalb ließe sich das Kürzel BMW auch so übersetzen: Baut mehr Wunder!

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