Milbertshofen:Das Gruselkabinett

Immer noch wohnen elf Menschen in dem vergammelten Haus an der Norderneyer Straße. Bis August sollen sie draußen sein, weil die Stadt dort eine Unterkunft für obdachlose Familien bauen will

Von Nicole Graner, Milbertshofen

Immer wenn im Rückgebäude des maroden Hauses an der Norderneyer Straße 10 die Dusche oder auch die Toilette benutzt wird, wird es nass in der Wohnung darunter. Die Wände schimmeln, in einer anderen Wohnung regnet es durch das Dach. Im Haus riecht es seit einiger Zeit nach Heizöl. Kein Wunder: Im Keller steht ein geöffneter Tank. Brandgefährlich. Feuerlöscher gibt es nicht. Briefkästen und Schilder werden bereits abmontiert, Überdachungen eingerissen. Der Zustand des Hauses ist katastrophal, und noch immer wohnen Menschen darin. Menschen, die aufgrund ihrer finanziellen Lage kaum eine Chance haben, auf dem freien Mietmarkt eine Wohnung zu finden.

Das Haus soll abgerissen werden, um einem Boardinghouse für wohnungslose Familien Platz zu machen, hat der Stadtrat im Mai 2015 beschlossen. Maximal 147 Menschen sollen in der Unterkunft untergebracht werden, die der private Investor Michael Küblbeck aus Niederbayern bauen, die Stadt München nutzen will. Geplanter Nutzungsbeginn ist laut Sozialreferat der 1. März Anfang 2017. Die Interessengemeinschaft Norderneyer Straße 10 (IG-N10) hat immer wieder auf die Zustände im Haus hingewiesen. Eigentümer, Investor und die Stadt München haben ebenfalls immer wieder deutlich gemacht, sich darum kümmern zu wollen, dass den Mietern andere Wohnungen angeboten werden.

Der Stand der Dinge im Juni: Laut Sozialreferat leben noch elf Personen im Haus. Fünf Personen warten auf Mietangebote, zwei Mieter wollen gegen einen Geldbetrag ausziehen. Eine Familie, so erklärt Michael Hübsch von der IG-N10, wird ausziehen und nach Bulgarien zurückgehen, weil die Angehörigen zermürbt seien und keine Chance mehr sähen, eine andere Wohnung zu bekommen. Auch habe, wie das Sozialreferat mitteilt, der Noch-Eigentümer "ein Haus für zwei Familien erworben". Wie Bewohner des Hauses der IG-N10 erklären, zahle keiner mehr Miete. Einige wissen nicht mehr, an wen sie sich wenden sollen. "Wir führen aber mit allen Planungsgespräche", sagt der Mann, der sich für den Eigentümer und die Stadt München um neue Unterkünfte für die Bewohner kümmert, aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. "Und wir sind ganz gut dabei, haben bereits viele Möglichkeiten angeboten", erklärt er weiter. Einen fixen Termin, wann die Mieter das Haus verlassen haben müssen, gebe es nicht. Laut Sozialreferat aber sei es das Ziel des Investors Küblbeck, das "Haus bis August leer zu bekommen". Ob das Haus bereits dem Investor übergeben worden sei und wo denn das neu erworbene Haus für die Mieter liege - Fragen, die der Beauftragte nicht beantworten möchte. Auch zum Zustand des Hauses, in dem vermutlich bis zum 1. August noch Menschen wohnen, möchte er sich nicht äußern.

Am heutigen Donnerstag befasst sich im Rathaus der Sozialausschuss mit der Norderneyer Straße. Die IG-N10 hat dazu noch einmal schriftlich die Fraktionen über den Stand der Dinge informiert. Wichtig sei es, sagt Hübsch, einfach deutlich zu machen, was in den letzten Jahren hier passiert ist. In dem Schreiben, das der SZ vorliegt, heißt es: "Es kann nicht sein, dass in Deutschland, wo jeder kleinste Verstoß geahndet wird, ein Vermieter sein Haus über zehn Jahre ungenehmigt als Wohnraum vermieten kann, es total vergammeln lässt und entmieten möchte, ohne Konsequenzen zu befürchten. . . Die durch den Eigentümer geschaffenen Verhältnisse dürfen nicht aus Mietinteresse ungeklärt bleiben." Auch fordert die IG-N10 die Aussetzung des Stadtratsbeschlusses. Wegen der Mietverhältnisse, die, wie Hübsch betont, erst einmal aufgeklärt werden müssten. Auch wünscht sich die IG-N10, dass die Stadt erst dann einen Mietvertrag abschließt, wenn der jetzige Eigentümer die derzeitigen Mieter untergebracht hat. Das Sozialreferat macht in der Sitzungsvorlage deutlich, dass mit dem Investor erst dann eine Belegungsvereinbarung abgeschlossen werde, wenn "alle baurechtlichen Fragen positiv beschieden sind und die bisherigen Mieter einen Anschlusswohnraum gefunden haben". Ob das bis zum 1. August gelingen kann, ist fraglich. Ob die Stadt am Standort für die neue Unterkunft festhält, wird in der Sitzung entschieden. Fest steht laut Sitzungsvorlage, dass das Sozialreferat nach "kritischer Überprüfung" der Norderneyer Straße 10 dafür plädiert.

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