Milbertshofen:Bonjour, Tristesse

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Lange her: Zum fünfjährigen Bestehen 2010 herrscht noch gute Laune. (Foto: Hess)

Die Geschäftsführung des Kulturhauses Milbertshofen schafft es nicht, die interkulturelle Buntheit des Stadtviertels zu spiegeln

Von Nicole Graner, Milbertshofen

Ohne Frage. Skrijabin ist ein anspruchsvoller Musiker, ein Exzentriker der Klaviermusik. Sein Poem "Vers la flamme" klingt wie etwas Unfertiges, wie etwas, das noch heil werden, sich entfalten muss. Viele Dissonanzen, wenig Harmonik. Warum dieses anspruchsvolle, aber sperrige Stück, gespielt von Dmitrij Romanov, die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des Kulturhauses Milbertshofen eröffnet? Es kann eigentlich nur einen Grund geben: Es spiegelt den Gemütszustand der Institution Kulturhaus, den Ist-Stand wieder. Denn unfertig scheint auch das Konzept der Geschäftsführung zu sein, das nur wenig die Mitte eines Stadtviertels spiegelt, das von seiner interkulturellen Buntheit lebt, von der Kraft der Kreativität aus den eigenen Reihen.

Überschaubar ist ein Stichwort. Nur wenige Milbertshofener sind zur großen Jubiläumsfeier ins Kulturhaus gekommen, sie scheinen das Haus nicht mehr als Treffpunkt ihres Stadtviertels zu empfinden. Zum fünfjährigen Bestehen 2010 war das Haus vom ersten Programmpunkt an voll mit Menschen gewesen, die Teil haben wollten an etwas, das sie liebten, das Teil ihres Stadtviertellebens geworden war. Die Inszenierung "Der Curt-Mezger-Platz erzählt" band 400 aktive Kulturhäusler mit ein. Viele Gruppen, die das Haus beleben, weil sie sich dort treffen, dort üben, sind am Samstag nicht erschienen. Wie der Männerchor, deren Vorstände Horst Hefele und Adi Fürg sich massiv dafür eingesetzt hatten, dass es das Kulturhaus überhaupt gibt. Dass man den Stadtteilhistoriker Franz Schrenk mit seiner Ausstellung "Ortsg'schichten" im Monatsprogramm und auf der Webseite als Heinz Schenk ankündigt, zeigt, dass die Geschäftsführung die Namen derjenigen, die das Kulturhaus mit Leben erfüllen, noch immer nicht verinnerlicht hat. Alles wirkt am Samstag - und da ist er wieder, der Vergleich zu Skrijabins Poem - akademisch. Nicht gefüllt mit dem Potenzial, das Milbertshofen zu bieten hätte. Mit Künstlern aus Milbertshofen zum Beispiel, mit Musikern. Einer von ihnen sitzt im Zuschauerraum: Joe Kienemann. Er hätte die Kreuz Neun in Skrijabins Akkorden verjazzt und ins Lebendige, Swingende verkehrt. Akademisch ist auch die Begrüßung des Vorsitzenden des Trägervereins Kulturhaus Milbertshofen, Reiner Eger. Empathisch, freudvoll klingt anders. Dafür würdigt Stadtdirektor Anton Biebl das Geburtstagskind mit einem passenden Kulturhaus-Alphabet: Aufgeführt werden viele Projekte aus den Glanzzeiten des Hauses - mit anderer Konzeption. Geschäftsführerin Diana Koch lobt diese Projekte, würdigt ihre Vorgängerinnen Marta Reichenberger und Tatiana Hänert. Und ihr Ausblick?

Nebenbei erfährt man, dass Janine Köster von sofort an von ihrem Job als Geschäftsführerin freigestellt und zum 1. Dezember gekündigt ist. Warum? Das wisse sie nicht, sagt sie, "gerne, sehr gerne" wäre sie geblieben. Dass die Chemie der Doppelspitze Koch/Köster nicht stimmt, war spürbar. Keine gute Basis für ein Haus, das einst den Dialog symbolisierte.

Die Wunschtreppe, die vor zwei Jahren eröffnet wurde, spricht von der Hoffnung, dass Milbertshofen authentisch bleiben möge. Authentisch könnte es bleiben, wenn das Kulturhaus als Spiegelbild der Bevölkerung die Chance nutzen würde, gerade jetzt, wieder interkulturelle Arbeit zu leisten. Oder, wie es Marta Reichenberger formuliert: "Ich wünsche dem Kulturhaus, dass es Konzepte finden möge, um auf die neue Situation im Viertel zu reagieren." Ein guter Wunsch.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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