Strengerer Mieterschutz:"So schnell kann man gar nicht schauen, wie das höchstrichterlich geprüft wird"

Wohnungen in München

Wohnen in der Stadt München wird immer teurer, überall, nicht nur in innenstadtnahen Vierteln wie Schwabing (Bild).

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Fallen Mietshäuser aus dem Milieuschutz, hat die Stadt ein Vorkaufsrecht. Dieses können Kaufinteressenten umgehen, indem sie eine sogenannte Abwendungserklärung unterschreiben.
  • Bisher müssen sie schriftlich lediglich zusichern, auf Luxussanierungen und die Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen zu verzichten.
  • Oberbürgermeister Reiter will künftig auch einen Mietpreisdeckel, ein Abbruchverbot und eine Einkommens-Höchstgrenze für neue Mieter festlegen.
  • Für das Reformpaket gibt es Kritik, CSU, FDP und Haus- und Grundbesitzerverein rechnen mit Klagen.

Von Dominik Hutter

Die geplante Verschärfung des sogenannten Milieuschutzes in Mietshäusern könnte schon bald die Gerichte beschäftigen. CSU und FDP sowie der Haus- und Grundbesitzerverein gehen fest davon aus, dass die vom Rathaus forcierten Änderungen auf erheblichen Widerspruch bei Immobilienbesitzern führen.

"So schnell wird man gar nicht schauen können, wie das höchstrichterlich geprüft wird", prophezeit CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl, der die prinzipielle Zielrichtung der neuen Regularien zwar gut findet, bei einigen Details aber Bauchschmerzen hat. Es sei fraglich, ob eine städtische Verordnung so stark in bestehende Gesetze eingreifen dürfe. "Ich glaube nicht, dass das hält", sagt auch der Vizechef von Haus und Grund, Michael Koch. Dazu seien die Eingriffe ins Eigentumsrecht zu groß.

Kommunal- und Sozialreferat haben auf Wunsch von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) neue Kriterien für die sogenannte Abwendungserklärung erarbeitet, mit der Immobilieninteressenten das Vorkaufsrecht der Stadt aushebeln können. Aktuell müssen sie nur schriftlich zusichern, auf Luxussanierungen und die Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen zu verzichten.

Künftig soll es zusätzlich auch einen speziellen Mietpreisdeckel, eine Einkommens-Höchstgrenze für neue Mieter, ein Abbruchverbot, eine gegenüber den gesetzlichen Vorgaben abgesenkte Modernisierungsumlage, ein Verbot der Eigenbedarfskündigung und diverse andere Mieterschutzklauseln geben. Reiter will damit den weiteren Mietanstieg zumindest in den Erhaltungssatzungsgebieten eindämmen.

Die bisherigen Vorgaben hätten dafür nicht mehr ausgereicht. Aktuell fallen in München 21 Bereiche mit 261 000 Einwohnern in diese Kategorie - Innenstadtquartiere zumeist, in denen Aufwertungsdruck herrscht. Der Stadtrat soll voraussichtlich am 19. Juni über das weitreichende Reformkonzept abstimmen.

Eine Mehrheit für den verschärften Mieterschutz gilt als wahrscheinlich - neben der SPD wollen auch die CSU und die Grünen zustimmen. Was die Stadt teuer zu stehen kommen könnte, warnt Michael Mattar, der Vorsitzende der gemeinsamen Fraktion von FDP und Wählergruppe Hut.

Denn wenn Kaufinteressenten derart einschneidende Vorgaben nicht akzeptieren und daher die Abwendungserklärung nicht unterschreiben, müsse die Stadt das Anwesen erwerben. Angesichts der stolzen Preise für Mietshäuser in guten Wohnlagen könne dies den städtischen Haushalt schnell an seine Grenzen bringen.

2017 musste die Stadt München kein einziges Haus kaufen

Aktuell werden die Erklärungen in den allermeisten Fällen unterschrieben und das Vorkaufsrecht daher abgewiesen. 2017 etwa wurden für 545 Wohnungen 36 Abwendungserklärungen abgegeben, kaufen musste die Stadt auf diesem Weg kein einziges Haus. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Käufer das jetzt noch unterschreiben", so Mattar. Es handle sich um einen durchaus "radikalen Wechsel", bei dem völlig offen sei, ob sich für Private der Kauf eines solchen Hauses überhaupt noch lohne.

Für "höchst fragwürdig" hält Mattar auch die Einkommens-Obergrenze bei neuen Mietverträgen. Nach dem Konzept der Stadt muss der neue Bewohner die Kriterien des kommunalen Förderprogramms München-Modell erfüllen. Demnach darf ein Ein-Personen-Haushalt maximal über ein Bruttoeinkommen von jährlich 38 600 Euro verfügen, bei einem Vier-Personen-Haushalt (zwei davon Kinder) sind es 94 300 Euro.

Auch der Haus- und Grundbesitzerverein hält es für wahrscheinlich, dass eine solche Vorgabe die gesetzlichen Regularien sprengt. Dessen Vizechef Koch hat Zweifel daran, dass die im Stadtrat geplante Novelle "das richtige Mittel ist, um den Wohnungsbau anzukurbeln."

CSU-Mann Pretzl sieht hingegen sehr wohl Anlass, den Mietmarkt strenger zu regulieren. Nur: Angesichts diverser Urteile zum Eigenbedarf, die zugunsten von Vermietern ausgingen, glaubt Pretzl zumindest bei diesem Passus nicht daran, dass er Bestand hat. Künftig soll nur noch maximal eine leerstehende Wohnung an Verwandte vermietet oder selbst genutzt werden können, eine Eigenbedarfskündigung ist ganz verboten.

Was aber, wenn ein Hauseigentümer zwei Kinder hat? Es bestehe die Gefahr, dass der Entwurf als Papiertiger ende, so Pretzl. Die CSU wolle zwar zustimmen, behalte sich aber vor, einzelne Punkte abzulehnen. Die Grünen hingegen begrüßen die Novelle ohne Wenn und Aber - nur ein wenig schneller hätte sie kommen können. Für Fraktionschefin Gülseren Demirel gilt in puncto Rechtssicherheit: "Man muss auch mal Mut beweisen". Mit einer Vollkaskomentalität komme man beim Mieterschutz nicht weiter.

Die Juristen der Stadtverwaltung sind von der Rechtmäßigkeit des Entwurfs überzeugt. Die Verhältnismäßigkeit werde gewahrt - verkaufen könne der Eigentümer weiterhin. Notfalls eben an die Stadt.

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