Mieten in München:Viel Leerstand, wenig Konsequenzen

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Die Zerknirschung ist groß, seit nach und nach bekannt wird, wie viele Wohnungen in München leer stehen. Die Stadt könnte etwas dagegen tun, doch die verhängt die hohen Bußgelder selten - und schon gar nicht gegen sich selbst.

Von Dominik Hutter

Die Schmach ist längst im Internet dokumentiert: auf der Facebook-Seite "Leerstandsmelder München" zum Beispiel, die genervte Münchner mit Infos über ungenutzt vor sich hin gammelnde Wohnungen bestücken. Jede Menge Wohnraum als Staubfänger - und das auf dem heißesten Mietpflaster Deutschlands. Für die Stadt ist das alles doppelt peinlich. Schließlich gelten Wohnungen, wenn sie länger als drei Monate leerstehen, als zweckentfremdet. Und dagegen könnten die Behörden eigentlich vorgehen. Nur: Das Instrument scheint nicht richtig zu greifen, obwohl ein Bußgeld von 50.000 Euro drin wäre. "Das ist kein wirklich scharfes Schwert", räumt der OB-Kandidat der SPD, Dieter Reiter, ein.

Noch schlimmer ist es freilich, dass die Stadt selbst Dreck am Stecken hat. Denn es stehen nicht nur private, sondern auch jede Menge städtische Wohnungen leer. Mehrere hundert müssen es sein, belegte eine im Frühjahr vorgelegte Statistik des Kommunalreferats. Und das oft schon seit vielen Jahren. Bei vielen gibt es angeblich gute Gründe: weil eine Sanierung bevorsteht etwa oder weil es eine Art natürliche Leerstandsquote geben muss - sonst könnte ja niemand mehr umziehen.

Die hohe Zahl von Gammel-Wohnungen wird dadurch jedoch nicht erklärt, und es ist auffallend, wie schnell die Stadt bei den beiden spektakulärsten Fällen in die Defensive geraten ist. So waren laut Kommunalreferat der schlechte bauliche Zustand sowie ein anstehender Abbruch nebst Neubau der Grund dafür, dass die Fenster an der Ecke Müller-/Papa-Schmid-Straße so lange nachts dunkel blieben. Oberbürgermeister Christian Ude urteilte dennoch, der Zustand in der Müllerstraße sei eigentlich schon Zweckentfremdung. Inzwischen sind die Wohnungen wieder vermietet, es scheint also doch irgendwie zu gehen. Auch als das Haus Pilotystraße 8 in die Schlagzeilen geriet, fiel die Erklärung dürftig aus. Zerknirschung war angesagt, da sei wohl geschludert worden.

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Auf Anfrage der FDP gab Personalreferent Thomas Böhle bekannt, dass sich die zuständigen städtischen Mitarbeiter möglicherweise dienstrechtlich verantworten müssen. Die Stadt selbst ist dagegen fein heraus. Ein Verfahren wegen Zweckenentfremdung samt eventuellem Bußgeld sei nicht möglich, betont Sozialreferentin Brigitte Meier - weil "die Bußgeldbehörde derselben Funktionseinheit angehört wie die betroffene Stelle". Mit anderen Worten: Die Stadt kann sich nicht selbst verknacken und auch kein Bußgeld bei sich selbst eintreiben. Das ist natürlich praktisch.

Dabei gilt die Zweckentfremdungssatzung für sämtliche Münchner Wohnungen, also auch die in kommunalem Besitz. Leerstand ist nur ein Aspekt der Regelung: Unter das Paragrafenwerk fallen auch Wohnungen, die als Büro oder Arztpraxis verwendet werden, die unerlaubte Vermietung an Feriengäste, untaugliche Umbauten oder auch der Abbruch ohne Abbruchgenehmigung.

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Allerdings gibt es Ausnahmen: Eine Wohnung gilt nicht als Wohnung, wenn "ein dauerndes Bewohnen unzulässig oder unzumutbar ist, weil der Raum einen schweren Mangel aufweist". Damit ist nicht das Etagenklo oder ein Badezimmer aus den Siebzigerjahren gemeint. Laut Sozialreferat geht es ausschließlich um statische Mängel. Ebenfalls von der Satzung ausgenommen sind Gebäude, deren Sanierung teurer käme als Abbruch plus Neubau. Oder wenn die Wohnung "nachweislich trotz geeigneter Bemühungen" nicht vermietet werden kann, wegen ihres Grundrisses etwa. Oder wenn sie "nachweislich zügig" modernisiert werden soll. Oder wenn der Besitzer sie als Zweitwohnung nutzt. Oder, oder, oder.

Erlaubte Zweckentfremdung

934 Wohnungen, so beteuert das Sozialreferat, wurden in den vergangenen fünf Jahren vor Zweckentfremdung geschützt - mit einer Wohnfläche so groß wie das Siemens-Gelände in Obersendling. Allerdings werden viele Anträge auf Zweckentfremdung auch genehmigt: 54 von 133 Anfragen für Nutzungsänderungen gingen allein 2012 durch, dazu noch 422 von 506 Abbruchanträgen.

Die Zahl der betroffenen Wohnungen ist noch höher, da viele Anträge Mehrfamilienhäuser betreffen: Insgesamt durften 1296 Wohnungen abgebrochen und 88 zweckentfremdet werden. Wer es ohne Genehmigung versucht, riskiert zwar 50.000 Euro Bußgeld. Tatsächlich liegt die Durchschnittssumme aber bei rund 4000 Euro.

Bei der Stadt gilt oft der mäßige Standard als Grund dafür, Wohnungen vor einer Sanierung nicht einmal mehr zwischenzuvermieten. Unzumutbar sei das, lautete die Einschätzung etwa bei der Müllerstraße. Vergessen wurde dabei, dass viele Münchner wohl ein paar Einschränkungen in Kauf nehmen oder vielleicht sogar selbst zu Spachtel und Pinsel greifen würden, wenn sie nur eine bezahlbare Wohnung fänden. Klar gibt es das juristische Risiko, dass Mieter mit Zeitverträgen zu Sanierungsbeginn nicht ausziehen wollen. Aber soll man deshalb ganze Häuser jahrelang leerstehen lassen?

Manchmal gibt es auch Spezialprobleme, etwa bei der Pilotystraße, die einer städtischen Stiftung gehört. Bei Stiftungen, die zumeist vererbt wurden, gilt es, strikt den Willen des Verstorbenen zu achten und sein Vermögen nicht zu verschleudern. Oft ist aber auch die Rücklage zu klein, um die Bauarbeiten bezahlen zu können. Bei der Pilotystraße rangen die Zuständigen jahrelang erfolglos um ein wirtschaftliches Sanierungskonzept. Und ließen in der Zwischenzeit fünf Wohnungen und das Rückgebäude leerstehen.

© SZ vom 18.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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