Messestadt Riem:Vergnügungsstätte verboten

Messestadt Riem: Das Schild des Sportwettenanbieters hängt schon im Schaufenster, aber die Anwohner wollen "wie eine Mauer" gegen den neuen Mieter stehen.

Das Schild des Sportwettenanbieters hängt schon im Schaufenster, aber die Anwohner wollen "wie eine Mauer" gegen den neuen Mieter stehen.

(Foto: Robert Haas)

Nachbarn wehren sich gegen ein Wettbüro, der Vermieter beschwichtigt. Aber die Stadt verhängt eine Unterlassung

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Wetten, dass ... das eine seltsame Geschichte ist - die vom Wettbüro Heinrich-Böll-Straße?

Bis vor Kurzem hat im Erdgeschoss-Eckladen an der Heinrich-Böll-Straße 34 das Immobilienbüro StadtLandSee Wohnungen vermarktet. Doch auf der Homepage steht hinter jedem Angebot: verkauft. Dieses Geschäft ist gelaufen, und Peter Sedlmeier, der es betrieben hat, hat seinen Laden nun vermietet an einen Franchise-Nehmer des Sportwettenanbieters Tipico. Der hat im Schaufenster schon angekündigt, täglich offen zu halten: "Mo bis So, 11 bis 23 Uhr".

Die Nachbarn sind entsetzt. Pawel Madzarow ist Sprecher einer Eigentümergemeinschaft mit rund 40 Parteien. Vor Ostern haben sie sich vor dem Haus getroffen und beratschlagt, wie das zu verhindern sei. Er wolle, dass alle "wie eine Mauer" stehen, sagt er. Die Nachbarn fürchten, dass die Kunden nachts draußen reden, rauchen, laut sind, auch Drogen konsumieren. Und das im kinderreichsten Viertel, direkt am Schulweg. Hinzu komme der Wertverlust der Wohnungen. Sedlmeier habe sich bei der Zusammenkunft "versteckt". Man hatte ihn eingeladen. Die Eigentümergemeinschaft werde privatrechtliche Möglichkeiten diskutieren, so Madzarow.

Sedlmeier, der auch in der Anlage wohnt, sagt wiederum, er finde es schade, dass keiner mit ihm rede. Sonst könnte er den Nachbarn klarmachen, dass eine Wettannahmestelle nicht anders sei als ein Lotto-Laden, es solle nichts ausgeschenkt werden. Er verweist auf ein anwaltliches Schreiben, demgemäß die "Wettvermittlungsstelle" wohnungseigentumsrechtlich zulässig sei. Sein Mieter sei ein redlicher Mensch, es sei alles rechtens, die Lokalbaukommission habe die Genehmigung erteilt. Auf die Frage, ob er keinen "besseren" Mieter habe finden können, antwortet er mit einer Gegenfrage: "Was ist besser?" Nehme er eine Pizzeria, störe die Nachbarn der Geruch. Ein Sonnenstudio oder ein Kiosk sei nach sechs Monaten pleite. Freilich hätte er einen besseren Mieter haben können, nämlich die Stadt, sagt Sedlmeier mit triumphierender Stimme: "Aber die hätte hier eine Beratungsstelle für Suchtkranke eröffnet. Das wollte ich meinen Miteigentümern nicht antun."

Die Pressestelle des Referats für Gesundheit und Umwelt verneint jedoch, dass sie selbst dort Räume mieten wollte. Es könne höchstens sein, dass Condrobs gemeint sei, eine von der Stadt unterstützte Einrichtung, die in der Tat Räume suche. Madzarow glaubt, dass Sedlmeier einfach gezielt an den Meistbietenden vermietet habe. Er selbst habe überlegt, dort eine Dependance seiner Steuerkanzlei einzurichten, doch er habe die Immobilie nirgends angeboten gefunden.

Der Mieter, der die Wettannahmestelle betreiben will, will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, er verweist auf Tipico-Pressesprecher Dominic Sauer. Dieser sagt, es würden die jugendschutzrechtlichen und spielerschutzrechtlichen Bestimmungen und alle sonstigen Auflagen eingehalten, das Personal werde entsprechend geschult. Von Drogen distanziere sich jeder seriöse Franchise-Nehmer. Und laut sei es abends auch mal vor einer Kneipe.

Karl Michael Brand, Leiter des Kinder- und Jugendtreffs Quax, stöhnt auf, als er die Nachricht vernimmt. Wenn die Stadt das wirklich genehmigt habe, mache sie die Messestadt zu dem Problemviertel, als das manche sie schon heute fälschlicherweise sehen. Die Jugendlichen bräuchten einen Container, um sich selbstverwaltet treffen zu können - aber für etwas so Sinnvolles sei keine Genehmigung in Sicht.

Das Kreisverwaltungsreferat lässt wissen: "Anders als bei sogenannten Spielhallen, in denen Glücksspielautomaten aufgestellt werden, benötigen Sportwettbüros und Wettannahmestellen nach derzeitiger Rechtslage keine besondere gewerberechtliche Erlaubnis. Daher haben wir aus gewerberechtlicher Sicht keine Möglichkeiten, den Betrieb einzuschränken", so Johannes Mayer. Gleichwohl müsse die Nutzung aber baurechtlich genehmigt werden.

Otto Steinberger (CSU), der Bezirksausschussvorsitzende, sagt zuerst, dass man da "wenig bis nichts" tun könne. Doch die Sache lässt ihm keine Ruhe, er erkundigt sich bei der Lokalbaukommission (LBK) und erfährt, dass der Bezirksausschuss (BA) angehört werde. Da könne er sich nicht vorstellen, dass auch nur eines der BA-Mitglieder für ein Wettbüro stimmen würde, sagt Steinberger. Ingo Trömer, Sprecher des Planungsreferats, zu dem die LBK gehört, erklärt dann erstaunlicherweise, dass die Sache schon erledigt ist - aus baurechtlichen Gründen: "Es gibt keine Genehmigung." Es gebe bisher nicht einmal einen Antrag. Die LBK aber habe Wind bekommen von der Absicht und bereits eine "vorbeugende Nutzungsunterlassung" verhängt: "Wir fassen das als Vergnügungsstätte auf - und eine solche ist in diesem allgemeinen Wohngebiet laut Baunutzungsverordnung nicht zulässig." Hier dürfe nur Gewerbe entstehen, das für die Versorgung nötig sei, kulturellen, sportlichen oder kirchlichen Hintergrund habe oder nicht störendes Handwerk. Der BA werde informiert, so Trömer.

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