Mensch und Tier:Mitleid mit dem Alten

Mensch und Tier: "Bei Affen ist man ja versucht, sie menschlich zu betrachten", sagt Lukas Dammroff. Das ist aber tunlichst zu vermeiden.

"Bei Affen ist man ja versucht, sie menschlich zu betrachten", sagt Lukas Dammroff. Das ist aber tunlichst zu vermeiden.

(Foto: Catherina Hess)

Lukas Dammroff pflegt im Tierpark Hellabrunn die Affen - bei den Kattas bekommt der Senior nur dann Leckerbissen, wenn die anderen etwas übrig lassen

Von Philipp Crone

"Es ist immer einer der Arsch", sagt Lukas Dammroff und schaut auf die acht Affen, die an Ästen neben und über ihm sich langsam nähern. Dammroff betreut die Menschenaffen und sitzt im Gehege der Kattas. In der Hosentasche hat er ein paar Rosinen, sonst würden die Tiere dem 37-Jährigen wohl auch nicht so nah kommen.

Der Arsch, wie es Dammroff, ein schlanker Mann mit zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren, formuliert, das ist das älteste Tier der Kattas, diesen scheinbar zur Pantomime geschminkten Affen. Sie balancieren durch die Äste, der schwarz-weiß-gestreifte Schwanz schwenkt hin und her, die Tiere stoßen immer wieder Klick-Laute aus. "Das sind Kontaktgeräusche", sagt Dammroff, eine Art Wohlfühlsonar, das bedeutet: alle da, alles okay. Auch das älteste Tier, 20 Jahre alt, das rangniedrigste, also Dammroffs "Arsch", was sich daran sehen lässt, dass das Tier sich am langsamsten bewegt und von den verteilten Rosinen nur etwas abbekommt, wenn die anderen Tiere ausdrücklich etwas übrig lassen. Man kann das rangniedrigste Tier erkennen, an seinen Bewegungen, Dammroff erkennt jedes seiner Tiere.

"Die beiden sind sich sehr ähnlich, äh, ich meine natürlich diese beiden", sagt der Mann aus Südbaden, der zunächst im Baseler Zoo gelernt hat, bevor er nach München kam. Er meint die Zwillings-Kattas, deren Mutter gestorben ist. "Die sind besonders neugierig und bereit für Neues." Erkrankungen wie die ihrer Mutter stellen die Pfleger oft erst dann fest, wenn es schon zu spät ist, aber jedes tote Tier wird untersucht, im Primatenzentrum in Göttingen, "die werden alle eingeschickt", sagt Dammroff.

Zu den Menschenaffen geht der 37-Jährigen allerdings nicht in das Gehege. "Gorillas oder Orang-Utans wiegen bis zu 90 Kilo und haben unglaublich viel Kraft." Die Halbaffen haben mit dreieinhalb Kilogramm Gewicht nicht ganz so viel, aber die Zwillinge verwenden ihre gerade dafür, an Dammroffs Shirt zu zerren und die Hosentasche mit den Rosinen genau zu beobachten. "Kattas sind sehr zugänglich, interessiert und nicht sehr schüchtern."

Aufgerissene Augen, schwarz umrandet in einem weißen Fellkranz, das sieht beeindruckend aus. "Affen sind Augentiere", sagt der Pfleger, "auch deshalb sind sie zum Teil so bunt." Kattas haben zudem noch Drüsen an den Unterarmen und den Schultern, mit denen der Schweif einparfümiert wird, ehe sie immer mal wieder ritualisierte Showkämpfe austragen, ohne wirklich zu kämpfen. Aber damit wird die strenge Hierarchie wieder gefestigt.

Nach seiner Ausbildung in Basel kam Dammroff gleich zu den Affen in Hellabrunn. "Bei Affen ist man ja, anders als bei anderen Tieren im Zoo, sehr in Versuchung, sie menschlich zu betrachten." Dies nicht zuzulassen, ist auch eine seiner täglichen Aufgaben. Abgesehen davon werden auch im Affenhaus die Gehege gereinigt und die Tiere täglich gefüttert, mit Äpfeln, Karotten, Gemüse wie Tomaten und Gurken. "Wir müssen da aber auch immer aufpassen, die neigen schnell zum Übergewicht." In der Hinsicht ähneln sich Menschen und Affen offenbar doch. Dammroff hängt auch regelmäßig die Äste um, damit die Tiere Neues ausprobieren können. Kattas "sind todesmutig", sie springen bis zu zweieinhalb Meter weit.

"Sehr spannend ist es immer, wenn Handwerker in den Gehegen etwas reparieren müssen. Die sind dann erst einmal nur mit den Tieren beschäftigt und kommen nicht zum Arbeiten." Das schwierigste für die Handwerker ist dabei nicht die Reparatur. "Das Schwierigste ist es für die Kollegen aus der Werkstatt, ihre Leiter aufzustellen und selbst draufsteigen zu können, bevor sie gleich wieder von den Kattas besetzt ist."

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