Memmingen und "Munich West":"Wo ist das Hofbräuhaus?"

Der Flughafen Memmingen wird "Munich West" genannt - deswegen landen hier Touristen und denken, sie wären bereits direkt in München. Wie das "Tor zum Allgäu" davon profitiert, berichtet der Bürgermeister.

Lisa Sonnabend

Seit April 2009 fliegt Ryan Air den Flughafen Memmingen im schwäbischen Landkreis Unterallgäu an, die Passagierzahlen sind stark gestiegen. Da die irische Fluggesellschaft den Flughafen als "Munich West" bewirbt, landen gelegentlich auch Passagiere hier, die denken, sie wären bereits direkt in München und nicht 110 Kilometer entfernt. Wie Memmingen damit umzugehen weiß.

Ivo Holzinger

Der Oberbürgermeister von "Munich West": Ivo Holzinger.

(Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Herzlichen Glückwunsch, Herr Holzinger! Sie sind seit knapp einem Jahr nicht mehr nur Oberbürgermeister von Memmingen, sondern auch von Munich West ...

Ivo Holzinger: Darüber kann ich lachen. Ich hoffe nur, dass es meinen Münchner Kollegen und Freund Christian Ude nicht stört, dass es nun auch einen Bürgermeister von "Munich West" gibt.

sueddeutsche.de: Manche Touristen finden dies allerdings gar nicht lustig. Angeblich sind schon einige Briten in Memmingen gelandet und dachten, sie wären bereits in der bayerischen Hauptstadt ...

Holzinger: Das ist tatsächlich passiert. Ein britischer Tourist hat sich einmal in die Stadtmitte, unseren Weinmarkt, fahren lassen und gefragt: "Wo ist denn das Hofbräuhaus?" Da kam uns die Idee: Lasst uns unser eigenes Hofbräuhaus bauen!

sueddeutsche.de: Wie konkret sind die Pläne?

Holzinger: "Hofbräuhaus" ist ein geschützter Titel. Wenn wir unser Lokal auch Hofbräuhaus nennen, müssen wir natürlich die Namensrechte berücksichtigen - aber da werden wir uns sicherlich einig werden. Oder wir nennen das Restaurant ein wenig anders und orientieren uns am Konzept des Hofbräuhauses. Da haben wir schon zwei, drei Restaurants von privaten Betreibern im Auge. Seit die Engländer da sind, besteht jedenfalls großer Bedarf und den wollen wir stillen.

sueddeutsche.de: Sind die wirklich alle so verrückt nach Bier?

Holzinger: Ich schau hier von meinem Amtszimmer im Rathaus hinunter auf den Marktplatz. Dort befindet sich Das kleine Stehcafé - ein wunderschönes Häuschen aus dem Mittelalter. Da gehe ich manchmal mittags einen Espresso trinken, um wieder munter zu werden. Einmal kamen zwei Engländer und gingen rein. Normalerweise trinkt dort jeder Kaffee - aber mit was kamen die zwei heraus? Mit einer Halbe Bier! Das erwarten die meisten Briten eben, wenn sie in Deutschland sind.

Wie die Wiesn - "nur billiger und schöner"

sueddeutsche.de: Aber Memmingen hat doch sicherlich auch zahlreiche andere Attraktivitäten ...

memmingen

"Memmingen hat seinen ganz besonderen Reiz": Blick auf den Marktplatz.

(Foto: Foto: oh)

Holzinger: Natürlich. Zum Beispiel der Memminger Fischertag, ein Heimatfest, bei dem der Stadtbach leergefischt wird und das einzigartig in Deutschland ist. Alle vier Jahre finden auch unsere historischen Festspiele über den Ein- und Auszug Wallensteins statt, der im Jahre 1630 vier Monate in Memmingen verbrachte. Auch die schwäbische Küche ist attraktiv für Gäste. Viele kommen zudem zum Einkaufen, denn hier gibt es viele Boutiquen und die ganzen Bekleidungsketten, aber es herrscht eine gemütliche Atmosphäre. Mit der Mewo-Kunsthalle und dem Kreuzherrnsaal, ein ehemaliges Kloster, haben wir auch kulturelle Highlights zu bieten.

sueddeutsche.de: Und Sie haben auch ein Volksfest, das "ähnlich, nur billiger und schöner" sein soll als das Münchner Oktoberfest, wie Sie einmal gesagt haben ...

Holzinger: Genau. Unser Jahrmarkt findet acht Tage nach dem Oktoberfest statt. Viele Schausteller aus München kommen nach der Wiesn zu uns raus und bauen ihren Standplatz hier auf. Jedes Jahr zieht der Jahrmarkt 250.000 Menschen an. Also eine Art zweites Oktoberfest.

sueddeutsche.de: Ist Memmingen vielleicht sogar das bessere München?

Holzinger: Ich will mich nicht mit den Münchnern anlegen. In der Quantität hat München definitv mehr. Memmingen hat aber seinen ganz besonderen Reiz. Denn wir haben das mittelalterliche Stadtbild mit seiner Mauer erhalten können.

sueddeutsche.de: Wie hat sich Memmingen seit dem Ausbau des Flughafens verändert?

Holzinger: Sehr positiv. Wir haben eine stark steigende Passagierzahl - das ist in der Finanzkrise sehr beneidenswert. Wir hatten bereits den einmillionsten Passagier. Im Tourismusamt hat sich die Zahl der Anfragen mehr als verdoppelt - insbesondere von englischsprachigen Touristen. Wir registrieren auch viel mehr Übernachtungen. Zuletzt hatten wir 101.000 Übernachtungen, im Jahr zuvor waren es nur 90.000 gewesen. Auch Geschäftsreisende können nun aus Norddeutschland oder Berlin an einem Tag runterfliegen, den Termin wahrnehmen und abends wieder zurückfliegen.

"Aus der Nähe von München"

sueddeutsche.de: Aber es gibt sicherlich auch einige in Memmingen, die durch den Flughafenausbau um die Idylle ihrer Stadt fürchten ...

Holzinger: Es gibt schon einige, die Angst haben, dass der Lärm überhand nimmt. Das muss man ernst nehmen. Aber man kann insgesamt sagen, dass sich die Lärmbelastung in Grenzen hält - auch bei einer prognostizierten weiteren Zunahme an Passagieren. Man hört natürlich die Flugzeuge, insbesondere in den südlichen Stadtgebieten. Aber mein Eindruck ist, es ist tolerierbar. Wir haben ja auch Nachtflugverbote. Die große Mehrheit der Memminger sieht den Vorteil des Flughafens. Aber es ist klar, dass jeder Vorteil auch einen Nachteil hat.

sueddeutsche.de: Bleibt nur das Problem mit dem Namen "Munich West", mit dem Ryan Air für den Flughafen wirbt ...

Holzinger: Wenn ein Memminger in den USA unterwegs ist und gefragt wird, wo er herkommt, dann wird er meist sagen: "Aus der Nähe von München." München kennt jeder und 100 Kilometer sind ja in amerikanischen Dimensionen nichts! Aber man muss den Leuten schon genau sagen, um was es geht. Den Begriff "Allgäu Airport" muss man deswegen immer mit dem Zusatz "Allgäu Airport Memmingen" sagen. Genauso: "Munich West - Memmingen".

sueddeutsche.de: Aber auch andere Flughäfen nennen sich doch nach Großstädten, obwohl sie ein gutes Stück entfernt liegen ...

Holzinger: Der Name Frankfurt-Hahn ist fragwürdig! Da ist ja Frankfurt noch schlechter zu erreichen als München von Memmingen aus. Man darf die Leute doch nicht an der Nase herumführen.

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