Meisterfeier:Münchner Double

Erstmals feiern die Frauen und Männer des FC Bayern gemeinsam ihre Meistertitel auf dem Balkon des Rathauses. Für die Fußballerinnen ist das ein "unbeschreibliches Gefühl"

Von Gerhard Fischer

Frauenfußball hatte der Deutsche Fußballbund 1955 noch verboten. "Diese Kampfsportart ist der Natur des Weibes fremd", hieß es in der Begründung. "Das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." Zudem könne dieser Sport die Gebärfähigkeit beeinträchtigen. 2015 feiern die Fußballerinnen des FC Bayern völlig legal vor 15 000 Menschen ihren Meistertitel. Sie stehen mit Robben, Lahm und Neuer auf dem Balkon des Rathauses und blicken auf die Menge hinab. "Es war atemberaubend", sagt hinterher Torhüterin Manuela Zinsberger, Jahrgang 1995.

Pfingstsonntag, 13 Uhr. Der Marienplatz füllt sich, Stadionsprecher Stephan Lehmann heizt die Stimmung an, Willy Astor macht Musik. Die Fans warten auf Robben, Lahm und Neuer, aber warten sie auch auf Zinsberger, Lotzen und Behringer? Es können wohl nur wenige Fans die Aufstellung der Frauen aufsagen, aber viele versichern, es sei schön, dass sie mit den Männern feiern. Csilla sagt sogar, sie interessiere sich "total für die Bayern-Frauen". Immer gucke sie im Internet, wie sie gespielt hätten. Csilla und ihr Begleiter Christian tragen Bayern-Kluft, ihr Hund hat einen Bayern-Schal um den Hals.

Dieter Reiter steht im ersten Stock des Rathauses. Er plaudert entspannt mit ein paar Leuten. Der Oberbürgermeister trägt eine rote Krawatte. Er ist Bayern-Fan, schon lange. Ein paar ewige Bayern-Journalisten wie Uli Köhler laufen vorbei, manche klatschen sich ab. In den Gängen des Rathauses stehen Leute mit Anzügen herum und Leute mit Jeans und Bayern-Trikots, auf denen man Müller oder Thiago lesen kann. Berni, das Bayern-Maskottchen, läuft vorbei, in Trikot und Fell; gut, dass es an diesem Pfingstsonntag nicht heiß ist. Ein Mann aus der Presseabteilung des FC Bayern erscheint, er sagt "Morgen, Morgen." Es ist halb zwei.

Um kurz vor zwei wird es unruhig im Innenhof des Rathauses: Rummenigge und Präsident Hopfner sind angekommen. Sofort strömen die Kamerateams zu ihnen. Dann kommt Sammer, es folgen die Spieler, alle in Tracht. Fans und Reporter zerren an ihnen, wollen Fotos und ein paar Zitate, einer ruft Manuel Neuer hinterher: "Glückwunsch zur Meisterschaft!" Neuer reagiert nicht. Man kann es verstehen.

Plötzlich öffnet sich eine Tür, die Fußballerinnen kommen heraus, in Dirndl. "Die Mädels", ruft ein Reporter. Bloß ein paar gehen zu den Frauen, und die meisten von ihnen halten Melanie Behringer das Mikrofon unter die Nase. Behringer ist Kapitänin, sie ist gerade mit dem Helikopter vom Trainingslager der Nationalelf eingeschwebt, sie ist sympathisch und sie weiß sich auszudrücken. Behringer sagt, es sei "eine Riesenehre, die Meisterschaft mit den Männern zu feiern."

Im Großen Sitzungssaal hält Reiter wenig später eine Rede. Er spricht die "liebe Bayern-Familie" an und sagt, es sei neu und supergut, dass der FCB zwei Meistermannschaften habe. Applaus. "Die Frauen", sagt er, "haben kein einziges Saisonspiel verloren - aber das schaffen die Männer auch noch". Die Frauen als Vorbild in der Kampfsportart Fußball. Feine Sache. Rummenigge sagt den Damen, er sei "sehr glücklich, dass wir gleich mit euch auf dem Balkon stehen werden." Applaus. Dort werde es dann einen Statiktest geben, fügt er an und merkt, dass es missverstanden werden könnte. "Nicht wegen euch", sagt er rasch in Richtung der Frauen, "sondern weil wir gestern viel gegessen und getrunken haben". Tags zuvor feierte der FC Bayern im Postpalast. Rummenigge sagt, er sei als Letzter gegangen, um 5.15 Uhr.

Dann gehen sie auf den Balkon, jeweils gemischt, manchmal sogar paarweise: Melanie Leupolz und Franck Ribery, Leonie Maier und Thomas Müller, Melanie Behringer und Philipp Lahm. Synchron reißen sie ihre Meisterschalen hoch, manche enthusiastisch, viele verhalten, und Stadionsprecher Lehmann lobt und preist sie alle und erzählt auch noch, dass Laura Feiersinger ihre Stutzen immer abschneide und Lena Lotzen ein Morgenmuffel sei. Melanie Leupolz fragt er, ob die Schale schwer sei, und die Fußballerin kontert: "Wir sind ja alle starke Frauen." Frauenfußball-Abteilungsleiterin Karin Danner ruft in die Menge hinab, es sei "einfach geil, hier zu stehen".

Lehmann sagt, die Meisterschaft der Frauen und Männer sei "das wahre Double 2015", Rummenigge betont mehrmals, er sei sehr zufrieden mit dieser Saison, auch ohne Champions-League-Sieg und Pokal-Erfolg; man sei der beste Verein der Welt und habe die besten Fans der Welt. Das protzige "Mia san mia" ist nun wieder das Motto des FC Bayern. "Mia san miad" und das Gerumpel der letzten Wochen sind vergessen. Jetzt singen alle "Forever number one" und "We are the champions".

Es ist halb vier, Willy Astor verlässt das Rathaus und schwingt sich auf sein Rad. Er sagt, Frauenfußball sei bisher nicht seine Welt gewesen. Aber er habe die Bayern-Frauen jetzt als "unglaublich sympathisch" kennengelernt und werde deren Ergebnisse fortan "immer im Sportteil suchen". Was hier beim FC Bayern geschehe, finde er großartig: dass die Frauen auf Augenhöhe mit den Männern feierten und dass die Männer "dafür die Pforten öffnen". Wann habe man schon die Chance, von 15 000 Menschen gefeiert zu werden?

Manuela Zinsberger denkt das offenbar auch. Deshalb geht sie sogar runter zu den Fans, klatscht sie ab, posiert mit ihnen für Fotos, tanzt und singt. "Es ist ein unbeschreibliches Gefühl", sagt die 19-Jährige, als sie in den Innenhof des Rathauses zurückkehrt. Und dass sie mit den Bayern-Männern feiern dürfen: Das sei für den Frauenfußball eine große Anerkennung.

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