Meister Eder und sein Kobold:Pumuckl und sein München der Geranienbalkone

MEISTER EDER UND SEIN PUMUCKL MEISTER EDER UND SEIN PUMUCKL Pumuckl interessiert sich für Uhren Er

Der Pumuckl mit seinem Meister Eder.

(Foto: Imago/United Archives)

Frauen in Kittelschürzen und Männer in Trachtenjankern: Wer heute alte Pumuckl-Folgen schaut, erlebt ein behagliches München - das es längst nicht mehr gibt.

Von Anna Hoben

Ein Blick über Münchens Dächer, im Hintergrund die Türme der Stadt: Allerheiligenkirche, Alter Peter, Altes Rathaus, Neues Rathaus, Frauenkirche. Im nächsten Bild ein Hinterhof, ein Schild mit der Aufschrift "Schreinerei Franz Eder". Zoom auf ein erleuchtetes Fenster, an der Wand im Zimmer hängt ein Kreuz. So fangen sie an, die Geschichten vom Kobold an der Isar, die der Bayerische Rundfunk von 1982 bis 1989 als Fernsehserie unter dem Titel "Meister Eder und sein Pumuckl" ausstrahlte. Es ist merkwürdig: Obwohl er konventioneller kaum sein könnte, steigt mit dem Vorspann jedes Mal wieder die Spannung. Darauf, womit einen der Pumuckl diesmal überraschen wird.

Der Pumuckl ist das, was man in München einen "Zuagroasten" nennt. Er kommt nicht von hier, sondern ist ein Nachfahre der Klabautermänner, der Schiffskobolde also, ein Wesen aus dem Norden. Wie weit der Migrationshintergrund zurückreicht, wird nicht erzählt - irgendwann ist der Pumuckl einfach da. Meister Eder übernimmt nicht nur die Erziehung (oder versucht es zumindest), sondern bringt dem Kobold auch etwas bei über seine neue Heimat. Und der Pumuckl, dessen Lebenssinn darin besteht, größtmögliche Unordnung zu stiften, also "in Ruhe Sachen zu verstecken und hinunterzuwerfen", wie er selbst sagt, ist ja auch ein wissbegieriger Lernender. Er sagt "Grüß Gott" und imitiert Eders Sprüche wie "Da machst was mit". Doch was vermittelt die Serie eigentlich für ein München-Bild, in was für eine Stadt wächst der Kobold da hinein?

Es ist, äußerlich betrachtet, ein München der Geranienbalkone und spießigen Spitzengardinen. Ein München der Werkstätten und Wirtshäuser. Eine Stadt der Frauen in Kittelschürzen und Männer in Trachtenjanker. Es ist eine gewisse Märchenhaftigkeit in diesem München, und die rührt erstaunlicherweise gar nicht so sehr von der Figur des Pumuckl her, sondern von der Wirklichkeit und dem Alltag, die gezeigt werden. Von einer unbestimmten und unbestimmbaren Vergangenheit. Hier wird ein Münchner Lebensgefühl geschildert, das auch in den Achtzigerjahren, als die Serie gedreht wurde, so nicht mehr wirklich existiert haben dürfte.

Was freilich heute noch existiert, sind die Orte, die die Filmleute damals gefunden haben, um dieses Bild von München zu transportieren. Man kann sich diese Orte von Sebastian Kuboth zeigen lassen, der Führungen zu Drehorten veranstaltet. Oft werden sie von Münchnern gebucht, die die Stadt ihrer Jugend wiederentdecken und in der Nostalgie der Serie schwelgen wollen. Das dörflich anmutende alte Lehel zum Beispiel. Noch in den Sechzigerjahren gab es dort viele Handwerksbetriebe in den Hinterhöfen: Schlosser, Keramiker, Messerschleifer. Heute kann man im Lehel Elfriede Manz treffen, die seit vielen Jahren einen Kiosk betreibt, Treffpunkt für das ganze Viertel. Ihr Mann hatte bis in die Achtzigerjahre eine kleine Schreinerei. Während der Dreharbeiten zu "Meister Eder und sein Pumuckl", so erinnert sich Manz, kamen die Filmleute zu ihm rüber und liehen sich Werkzeug aus.

An der Widenmayerstraße stand jenes Kutscherhäuschen, in dem sie Meister Eders Werkstatt eingerichtet haben, in der Serie ist die Adresse an der Gewürzmühlstraße. Damals schon baufällig, wurde das Haus nach dem Dreh abgerissen. Ein Großteil der übrigen Drehorte ist in Haidhausen, damals noch nicht gentrifiziert, sondern ein Stadtteil der einfachen Leute. Überhaupt ist das München im Pumuckl-Universum eine Stadt der einfachen Leute, der Arbeiter, der Handwerker.

Es ist ein München, in dem von Balkonen herab mit Leuten geratscht wird, die unten auf der Straße stehen. Ein München, in dem man seine Nachbarn kennt, aufeinander achtet, gerne übereinander tratscht und dem anderen bereitwillig einen Gefallen tut, weil man weiß, dass man früher oder später auch selbst einmal etwas davon haben wird. Der Pumuckl lernt schnell, wie das geht, dieses "Eine Hand wäscht die andere". Schon in einer der ersten Folgen tut er, was er kann, um dem Eder ein paar Aufträge zuzuschustern von den Nachbarn Lechner und Ramsauer.

Politisch korrekt ist das nicht, aber lustig

Zu diesem gesellschaftlichen Miteinander gehört freilich auch, dass man wissen will, was nebenan so vor sich geht. In einer Folge hört eine Nachbarin aus Eders Wohnung ein Geheule und Gejaule. Ihr Mann drängt zum Weitergehen, doch für sie kommt das nicht in Frage: "So passieren alle Unglücke auf der Welt, weil jeder sagt, das geht mich nichts an". (Natürlich ist es der Pumuckl, der heult und jault, zur Musik aus dem Radio, das er gerade für sich entdeckt hat.)

Dieses München ist eine Welt, in der es nichts Politisches gibt, sondern nur Privates; man kann sich nicht vorstellen, dass hier einmal wirklich etwas Nennenswertes passiert. Heute Pumuckl gucken, das ist Entschleunigung. Es vermittelt ein Gefühl von Einfachheit und Geborgenheit, das - neben der frechen, anarchischen und liebenswerten Koboldfigur - dazu beitragen mag, dass die Serie immer noch beliebt ist, und das nicht nur bei Kindern.

Es ist eine kleine Welt, in der jedes Herauskommen aus dem eigenen Viertel, jeder Ausflug eine große Sache ist. Gönnt sich Meister Eder einmal ein paar Tage Urlaub, fährt er aufs Land, wo ihn die Zwillingsbuben Schorschi und Wiggerl am Bahnhof erwarten und in die Unterkunft führen. Einmal besucht ihn sein Neffe, er ist zufällig in der Stadt und möchte gern auf einen Berg steigen. Das habe er früher auch gern gemacht, sagt Eder, aber man komme ja nicht mehr dazu, in die Berge zu fahren. Dann schickt er den Neffen, diesen Flachlandtiroler, in ein Sportgeschäft, ordentliche Wanderschuhe kaufen. Er solle sich aber beeilen, die Geschäfte schlössen bald.

An den Ladenöffnungszeiten in München hat sich seit damals nicht viel geändert. Die beiden fahren dann tatsächlich in die Berge, begleitet vom Pumuckl. Es ist niemand unterwegs außer ihnen, sie haben den Berg für sich. Undenkbar angesichts der Völkerwanderungen, die heute jedes Wochenende stattfinden. Überhaupt fällt auf, wie viel Platz ist in dieser Stadt. Wenn Pumuckl und Eder in den Zoo gehen, ist außer ihnen kaum jemand da.

Kulinarisch gesehen schließlich ist es ein München des Wurstbrots, der Schweinswürstl mit Sauerkraut und Kartoffelbrei. Meister Eder ist in dieser Hinsicht emanzipiert, er bereitet sich sein Essen selbst zu, muss er auch als Junggeselle, Weihnachten schiebt er gar einen Braten in den Ofen. Doch ansonsten zeichnet es die Frauen in der Serie aus, dass sie am Herd stehen und in der Küche den Mann begrüßen, der von der Arbeit kommt und fragt, was es zu essen gibt. Egal, was es gibt, es gibt Bier dazu. Bier ist fast immer in Reichweite, selbst tagsüber, wenn etwa der Hausmeister seine Arbeit verrichtet. Kein Wunder, dass auch der Pumuckl nach dem Gebräu verlangt. Irgendwann fertigt Eder ihm einen eignen Mini-Bierkrug.

Ein bisschen erstaunlich ist die anhaltende Popularität des Pumuckl schon auch. Da fluchen Schüler über die "Scheiß-Schule", da trinkt die Kinder-Identifikationsfigur Bier und wird zur Strafe ins Kästchen gesteckt. Politisch korrekt ist das alles nicht - aber ziemlich unterhaltsam. Dazu passt, was Ellis Kaut einmal gesagt hat: "Leute zu langweilen, ist ein Verbrechen".

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