Meine Woche:Gemetzel im Kleinformat

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Foto: Robert Haas (Foto: Robert Haas)

Gerhard Weiß bringt die Sendlinger Mordweihnacht auf die Bühne

Von Birgit Lotze

Die Vorstellung am Samstag um 20 Uhr war bereits vor Wochen ausverkauft, es gibt nur Restkarten für die andere Aufführung am Sonntag um 16 Uhr. Gerhard Weiß, Intendant des wohl kleinsten Münchner Theaters I-piccoli, bringt die Sendlinger Mordweihnacht am Originalschauplatz mit rund 20 Zentimeter großen Figuren auf die Bühne: im Stemmerhof an der Plinganserstraße, ganz oben auf dem Sendlinger Berg; direkt bei den Stemmerwiesen, dem Ort, wo mehr als 500 Aufständische vor etwa 300 Jahren regelrecht abgeschlachtet wurden; und bei der Kirche St. Margaret, in die die Bauern während des Gemetzels zu fliehen versuchten. Die Bühne steht über die Feiertage provisorisch in Gerhard Weiß' Wohn-Theaterzimmer in Schwabing. Dort ist I-piccoli mit seiner Werkstatt ansässig. Mehr als 40 Jahre gibt es das Theater, welches genau den Maßen der Bayreuther Bühne entspricht - im Verhältnis 1:18.

Am Montag und Dienstag ist Weiß mit der Akkordeonspielerin Michaela Dietl zur Probe verabredet. Auf der Bühne bilden sie ein Team: Während Gerhard Weiß das Geschehen kommentiert, improvisiert sie frei über seine Texte. Am Mittwoch stehen dann um 15 Uhr die zehn neuen Mitspieler vor seiner Wohnungstür. Sie wollen die Bühne und die Lichttechnik abbauen und drei Stockwerke tiefer im VW-Bus verstauen. Am Donnerstag treffen sich alle um 12 Uhr zum Aufbau im Stemmerhof - mit anschließendem Probedurchlauf. Am Freitagabend findet die Generalprobe statt. Auch Michaela Dietl und die Konzertzitherspielerin Claudia Höpfner sind dann dabei. Für die neuen Mitspieler, die die Puppen führen, ist dies der erste öffentliche Auftritt. Er findet ausschließlich vor Freunden und Bekannten statt.

Gerhard Weiß ordnet derzeit offenbar sein Lebenswerk. Kürzlich hat er Bühnenbilder, Installationen und Figuren für zwei seiner Stücke ans Stadtmuseum verkauft. Er müsse sich entlasten, sagt Weiß. Seine Wohnung sei übervoll. Auch für die Sendlinger Mordsweihnacht sucht er ein neues Zuhause - natürlich in Sendling, am besten im Stemmerhof an historischer Stelle, so sein Wunsch. Ein Team, welches das Historienspiel weiterführen möchte, hat sich mit den neuen Mitspielern bereits gefunden. Vielleicht lasse sich ja so etwas wie Oberammergau in Sendling etablieren.

Fragt man Weiß danach, wie die Figuren aussehen, die er für die Sendlinger Mordweihnacht gemacht hat, antwortet der ehemalige Fotograf für die Technische Universität gewohnt trocken: "Ein bisschen wie Lebkuchen." Sie hätten einen bäuerlichen Touch, Bauernbühne eben.

© SZ vom 02.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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