Meine Woche:Autoren eine Stimme geben

Gabriele Holocher

Gabriele Holocher.

(Foto: privat)

Gabriele Holocher lässt aus Büchern lesen, die 1933 verbrannt werden sollten

Von Hannah Schuster

Gabriele Holocher () mag Bücher. Sie hat schon immer gern und viel gelesen - deswegen ist sie Bibliothekarin geworden. Es waren aber auch Bibliothekare, die vor 85 Jahren die "Schwarze Liste" erstellt haben; eine Liste aller Bücher, die für die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 vorgesehen waren. Als Gabriele Holocher das erfahren hat, war sie überrascht: "Und da ist mir erst so richtig bewusst geworden, dass wir Bibliothekare mitgestalten, was gelesen wird - und was nicht."

Sie selbst hatte in den vergangenen Tagen jedoch nicht viel Zeit, um zu lesen, denn sie organisiert für diese Woche eine Veranstaltung, bei der Lehrer Teile aus damals verbotenen Büchern vorlesen. Denn nicht alle Bücher, die damals auf dem Index landeten, sind tatsächlich auf dem Scheiterhaufen gelandet. Es gibt noch Exemplare, die erhalten geblieben sind, einige davon liegen im Archiv der Bibliothek am Gasteig. Auch wenn die Bücher noch in einem guten Zustand sind - Vorsicht schadet nie: "Ich bin höchstpersönlich mit dem Auto dahin gefahren, um sie abzuholen", sagt Gabriele Holocher.

Jetzt liegen die Bücher gut sichtbar in einer gläsernen Vitrine in der Giesinger Bibliothek und warten dort auf ihren großen Auftritt. "Das ist oft gar nicht so einfach zu lesen", sagt Holocher und zeigt auf die verschnörkelte Schrift auf den alten Einbänden. Es sind Werke des Politikers Kurt Eisner, der Pädagogin Anna Siemsen, von Sexualpädagogen, Biologen, Mathematikern - Ausgaben, die eigentlich damals den Flammen hätten zum Opfer fallen sollen.

Verbrannt wurden diese Exemplare zwar nicht, trotzdem sind viele von ihnen in Vergessenheit geraten. Gabriele Holocher will ihnen die verdiente Aufmerksamkeit verschaffen. Und sie will außerdem dafür sorgen, "dass so etwas nicht mehr passiert". Deshalb will sie die Bücher am Mittwoch ins richtige Licht rücken. Noch ist der Raum, in dem die Lesung stattfinden wird, kahl, aber das ändert sich noch in den kommenden zwei Tagen. Schließlich sollen sich die Zuhörer ganz in Ruhe auf die Inhalte der Sachbücher konzentrieren können. Dafür schlüpfen Lehrer des Asam-Gymnasiums in die Rollen der Schriftsteller. "Wir wollen den Autoren wieder eine Stimme geben", sagt Gabriele Holocher.

Die Lesung findet am Mittwoch, 9. Mai, von 16.30 bis 17.30 Uhr in der Stadtbibliothek Giesing an der Deisenhofener Straße 20 statt. Dabei können die Besucher auch selbst in den Büchern blättern. Und noch bis Ende Mai sind die Werke in der Vitrine der Bibliothek zu sehen.

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