Mehr als 40 vorweihnachtliche Plätze:Die Inflation der Christkindlmärkte

Es glitzert, funkelt und duftet süß nach Lebkuchen und Glühwein - die ganze Stadt liegt im Adventsfieber. Der Grund: Wegen massiver Einbrüche ihrer Einnahmen setzen auch viele private Initiativen und Firmen zunehmend auf das Geschäft mit der Besinnlichkeit und dem Weihnachtszauber. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich am 24. Dezember erweisen.

Von Astrid Becker

Beim Fremdenverkehrsamt gibt man sich - derzeit noch - optimistisch. "Die Nachfrage scheint zu bestehen, sonst würde es nicht so viele geben", sagt Sprecherin Gabriele Papke. 19 größere und kleinere Traditionsmärkte hat sie in ihrer Liste vermerkt, zwei mehr als in den Vorjahren.

Ein Blick ins Internet unter www.ganz-muenchen.de zeigt jedoch, dass es in und um München mittlerweile mehr als 40 Christkindlmärkte gibt - mehr als jemals zuvor. Papke hat dafür eine einfache Erklärung: "Immer öfter bauen Firmen auf ihren Geländen Stände auf." Oder mieten sogar eigens dafür Flächen an, wie die Firma Kunst+Küche Lebensart von Nina Buske und Harald Heigl, die noch bis 26. Dezember Liebhaber adventlicher Märkte auf die Praterinsel locken wollen.

Sie entwickelten ein neues Konzept mit Erlebnischarakter. "Ich finde an Weihnachten das Besinnliche und Märchenhafte so schön", sagt Buske. Zwei Monate lang haben sie und Heigl an ihrer Marktidee "Nussknackers Geheimnisse" gebastelt und viel Geld dafür investiert.

Jetzt gibt es in den Gewölben auf der Praterinsel eine aufwändig gestaltete Schreibschule, eine Pralinenfee, ein historisch anmutendes Spielzeugcafé, ein Fotoatelier, eine Puppenerzählerin, Mode, Design und vieles mehr - einen Künstlermarkt jedenfalls, der Kinder und Erwachsene ganz auf Weihnachten einstimmen soll. "Ich glaube, die Menschen brauchen mal was Schönes in Zeiten von Wirtschaftskrisen, Irakkrieg und Selbstmordattentaten", meint Buske.

Dass heuer mehr Münchner schon allein aus diesen Gründen über die Weihnachtsmärkte flanieren, glauben auch die etablierten Standlbesitzer. Doch steigende Besucherzahlen brächten nicht unbedingt mehr Umsatz. "Es fehlt die Kaufkraft.

Das Geld sitzt nicht mehr so locker wie früher", meint Michael Jaumann, dessen Firma Kreutz seit 1948 handgeschnitzte Holzfiguren auf dem Kripperlmarkt vertreibt. "Meine Kollegen haben schon jetzt bis zu 75 Prozent weniger Einnahmen als in den Vorjahren." Zudem sei auch der derzeitige Standort auf dem Rindermarkt "schlecht".

Ursprünglich hatte der Markt immer auf dem Marienhof stattgefunden, wurde aber wegen der dortigen Baustelle verlegt. "Jetzt haben wir gar keine Verbindung mehr zum Hauptmarkt auf dem Marienplatz, die Leute finden nicht her." Hinzu kämen viele zusätzliche Stände, die "eigentlich auf einem Christkindlmarkt nichts verloren haben. Oder was hat ein mit Socken gespicktes Drehgestell vor einem Stand noch mit Weihnachten zu tun?"

Jaumann ist, wie viele seiner Kollegen, davon überzeugt, dass der Boom der Weihnachtsmärkte wieder abnehmen wird. "Das wird sich bereinigen. Viele sind doch nur hier, weil sie versuchen zu überleben. Die glauben einfach, dass wenigstens Weihnachten noch was geht."

Diese Hoffnung hatte auch Paula Maier. Die Standlbesitzerin, die am Rindermarkt weihnachtliche Geschenkartikel anbietet, war noch nie auf einem Christkindlmarkt vertreten. "Ich hatte bisher nur Stände auf dem Oktoberfest und auf der Auer Dult. Doch das Geschäft ist schlecht geworden." Heuer sei ihr daher nichts anderes übrig geblieben, als es einfach mal auf dem Weihnachtsmarkt zu versuchen. "Aber bisher glaub' ich nicht, dass mir das groß was bringt."

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