Medizin:Mit offenem Schädel in die Röhre

Das Klinikum rechts der Isar stellt seinen 48 Millionen Euro teuren Neubau mit acht hochmodernen Operationssälen vor. Dort sind neben Ärzten auch Roboter und andere Hightech-Geräte im Einsatz, um die Eingriffe schneller und sicherer zu machen

Von Inga Rahmsdorf

Wenn der Neurochirurg Bernhard Meyer künftig einen Patienten mit Gehirntumor operiert, dann kann der Arzt schon während des Eingriffs mit einer Magnetresonanztomographie (MRT) überprüfen, ob der Tumor erfolgreich entfernt wurde oder ob ein weiterer Eingriff notwendig ist. Meyer kann seinen Patienten, mit offenem Schädel, direkt vom Operationstisch in die MRT-Röhre schieben, um Bilder von seinem Kopf zu machen. Die beiden Räume sind nur durch eine Tür voneinander getrennt. Wenn medizinisch notwendig, wird der Patient anschließend weiter operiert. Das klingt naheliegend, doch es setzt hoch technisierte Operationssäle voraus. Bisher mussten der Direktor der Klinik für Neurochirurgie und seine Kollegen erst die Schädeldecke wieder schließen, dann erst konnten die MRT-Bilder gemacht werden, und wenn die nichts Gutes verhießen, musste in einer zweiten Operation erneut der Kopf geöffnet werden.

Das Klinikum rechts der Isar eröffnet diesen Monat sein neues OP-Zentrum. Der Operationssaal der Neurochirurgie mit dem MRT-Gerät im Nebenraum ist dort einer von acht hochmodernen Sälen. Gut sieben Jahre nach Planungsbeginn und viereinhalb Jahre nach Baubeginn soll am 26. Februar die erste Operation in dem neuen Zentrum des TU-Uniklinikums durchgeführt werden. Entworfen hat das sechsgeschossige Gebäude mit 10 000 Quadratmeter das Architekturbüro Jürgen Engel Architekten. Die Baukosten betragen 48 Millionen Euro, davon zahlt der Freistaat 44 Millionen Euro. Markus Schwaiger, ärztlicher Direktor des Klinikums, spricht von einem Meilenstein, von einem der modernsten OP-Zentren Europas und von absoluter Spitzentechnologie.

Bei einem Rundgang durch das neue Zentrum zeigt sich, dass zwei Ziele besonders im Fokus stehen: bessere medizinische Möglichkeiten durch modernere Technik und mehr interdisziplinäre Arbeit. Im ersten Stock ist eine Intensivstation mit 16 Betten untergebracht, im zweiten Stock eine gefäßchirurgische Station mit 28 Betten. Im ersten Untergeschoss befinden sich die acht Operationssäle. Dort werden auch die Urologen künftig mit den Gynäkologen und den Chirurgen gemeinsam einen Saal mit integriertem OP-Roboter betreiben. Dass jedes Fachgebiet für sich alleine arbeite, das funktioniere in der sich ständig rasant weiterentwickelnden Medizin überhaupt nicht mehr, sagt Jürgen Gschwend, Direktor der Klinik für Urologie. Ein Roboter im OP-Saal bedeute aber auch nicht, dass die Maschine selbständig arbeitet. "Es ist nicht unser Ziel, damit den Arzt zu ersetzen, sondern dem Arzt die bestmögliche technische Hilfe zu geben", sagt Klinikdirektor Schwaiger.

In OP-Saal 9, Gefäßchirurgie, ist technisch die bestmögliche Hilfe ein weißer, futuristisch anmutender Operationstisch, der von Bildschirmen umgeben ist und den sperrigen Namen Hybrid-Angiografie-Anlage trägt. Das Gerät soll es den Ärzten noch besser ermöglichen, in den Gefäßen des Patienten zu operieren, ohne ihn aufschneiden zu müssen. Außerdem können während des Eingriffs Röntgenbilder gemacht werden, auf denen auch kleine Details hochaufgelöst dargestellt werden.

Hans-Henning Eckstein, Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie, und sein Stellvertreter Alexander Zimmermann setzen sich 3-D-Brillen auf. Was aussieht wie ein nettes Spielzeug, verschafft den Ärzten einen genaueren Blick in das Innerste ihrer Patienten. Mit der Brille können die Chirurgen die Gefäße auf einem Bildschirm dreidimensional sehen und erhalten so ein besseres Tiefenverständnis. Wenn die Ärzte beispielsweise mit einem Katheter durch die Hauptschlagader des Patienten fahren, können sie gleichzeitig auf den Bildschirmen genau erkennen, wo sie sich gerade befinden und wie viel Platz sie dort haben. "Das ist sehr viel sicherer und schneller für den Patienten", sagt Eckstein. Und um den soll es ja schließlich immer gehen. Gerhard Schneider, Klinikdirektor für Anästhesiologie, bringt es auf den Punkt. "Unser Ziel ist es, dass der Patient nach drei Tagen nach Hause gehen kann, ohne dass er etwas gemerkt hat."

Doch so ein Klinikausbau erfordert auch mehr Mitarbeiter, und die sind schwer zu finden. Einige Kliniken in München müssen aufgrund von Personalmangel bereits Abteilungen zusammenlegen oder Betten reduzieren. Da sei man recht gut aufgestellt, sagt Klinikdirektor Schwaiger. Insgesamt 60 neue Mitarbeiter im Pflegebereich seien für das neue OP-Zentrum notwendig, und die Stellen seien weitgehend besetzt. Das Klinikum habe auch im Ausland Personal rekrutiert und eigene Deutschlehrer angestellt. Zudem sei die Klinik aktiv dabei, Wohnraum zu schaffen, sagt Schwaiger. Aber wie überall in München sei das nicht leicht.

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